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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
Autoren: Anne Rice
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das sie, die Jahrtausende überlebt hatte, umgab. Sie war ein Wesen, so alt, daß jede Geste wie aus flüssigem Marmor wirkte und ihre Sprache wie die Essenz aller Sprachgewalt der Welt.
    »Wenn du ihren Segen hast, ist alles andere unwichtig«, sagte ich mit einem leisen Seufzer. Ich fragte mich, ob ich sie je wiedersehen würde. Ich hoffte es weder, noch wünschte ich es.
    »Ich habe auch meine geliebte Jesse gesehen«, fügte David hinzu.
    »Das hätte ich mir denken können.«
    »Ich hatte nach ihr gesucht. Wo immer ich war, habe ich nach ihr gerufen, so, wie du deinen wortlosen Ruf nach mir ausgesandt hast.«
    Seine Jesse. Blaß, zierlich gebaut wie ein Vögelchen, rothaarig. Im 20. Jahrhundert geboren. Hoch gelehrt und mit Psikräften begabt. Er hatte sie schon gekannt, als sie beide noch Menschen waren, nun kannte er sie auch als Unsterbliche. Sie war seine Schülerin gewesen in dem Orden, den sie Talamasca nannten. Nun waren sie ebenbürtig, sowohl was ihre Schönheit als auch ihre Vampirkräfte betraf, oder zumindest fast. Ich wußte es nicht genau. Maharet hatte Jesse gemacht, Maharet von der Ersten Brut, als Mensch geboren, bevor die Menschheit Geschichtsschreibung betrieben, ja, kaum gewußt hatte, daß sie überhaupt eine Geschichte besaß.
    Die Älteste, wenn es denn eine gab, war Maharet, die Königin der Verdammten, und ihre stumme Schwester Mekare, von der kaum noch einer sprach.
    Ich hatte noch nie einen Zögling gesehen, der von jemandem gemacht worden war, der so alt war wie Maharet. Jesse schien ein durchscheinendes Gefäß zu sein, jedoch voller innerer Stärke, als ich sie zuletzt sah. Sie müßte inzwischen eigene Geschichten erzählen können, eigene Chroniken, eigene Abenteuer.
    David hatte das Blut von mir bekommen, zweihundert Jahre altes und mit noch älterem als Maharets vermischt. Ja, Blut von Akascha und Blut von Marius, dem Alten; und natürlich war auch meine eigene Kraft darin enthalten, und die ist bekanntermaßen kaum abschätzbar.
    Aus diesem Grund könnten er und Jesse wirklich großartige Gefährten sein. Was es wohl für sie bedeutet hatte, ihren betagten Mentor in dem Körper eines kräftigen jungen Mannes zu sehen?
    Auf der Stelle überkamen mich Eifersucht und Verzweiflung - von diesen feengleichen weißhäutigen Wesen hatte ich David also fortgezerrt. Sie hatten ihn aufgenommen in ihrem Unterschlupf jenseits des Meeres, wo ihre Kostbarkeiten über Generationen hinweg geschützt waren vor Krieg und Krisen. Und David hatten sie dort eingelassen.
    Aufgeschreckt durch ein Geräusch, schaute ich mich um, wurde dann aber verlegen, weil das so ängstlich ausgesehen hatte. Ich lehnte mich im Stuhl zurück, während ich mich für einen Moment still auf mein Opfer konzentrierte.
    Mein Opfer war mit seiner Tochter immer noch hier in unserer Nähe, im hoteleigenen Restaurant. Heute nacht würde er mir nicht entwischen, dessen war ich mir sicher.
    Ich seufzte. Es reichte wirklich. Schließlich folgte ich ihm jetzt schon seit Monaten. Er war interessant, aber mit dieser Sache hier hatte er nichts zu tun. Oder doch? Ich könnte ihn töten heute nacht, aber noch hatte ich Zweifel. Da ich auch seiner Tochter schon nachspioniert hatte, war ich mir ganz genau im klaren darüber, wie sehr sie sich liebten. Deshalb wollte ich auf jeden Fall warten, bis sie in ihr eigenes Heim zurückgekehrt war.
    Ich meine, warum sollte ich derart gemein zu einem so jungen Mädchen sein? Meine Güte, er vergötterte sie geradezu! Eben jetzt bat er sie dringend, doch ein Geschenk von ihm anzunehmen, das er vor kurzem erst erworben hatte, ein außerordentlich großartiges Stück in seinen Augen. Leider konnte ich in beider Gedanken so recht kein Abbild dieses Geschenks entdecken.
    Er war wirklich eine Beute, der zu folgen sich lohnte - grell, gierig, manchmal auch voller Güte und immer amüsant.
    Zurück zu David und zu meinen Überlegungen, wie sehr mein kraftvolles unsterbliches Gegenüber die zum Vampir gewordene Jesse geliebt haben mußte und wieso er Maharets Schüler geworden war. Warum nur hatte ich keinen Respekt mehr vor den Alten? Was, um Himmels willen, wollte ich denn nur? Nein, das war nicht die richtige Frage. Die Frage war, was für ein Etwas wollte mich jetzt gerade? Wovor lief ich weg?
    David wartete darauf, daß ich mich ihm wieder zuwandte. Das tat ich, doch ohne ein Wort zu sagen. Und als ich ihn durch die violetten Gläser anstarrte wie jemand, der mit einem rätselhaften Geheimnis behaftet
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