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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
Autoren: Anne Rice
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mich intensiv an, schätzte mich ab, versuchte alles, was ein Vampir nur tun kann, um die Stimmung und die Gedanken seines Gegenübers herauszufinden; aber die Gedanken von »Erzeuger« und »Zögling« sind einander verschlossen.
    Und so standen wir nun da, beide voller Emotionen, begabt mit übernatürlichen Fähigkeiten, aber zu keiner anderen Kommunikation fähig als zu der mit Worten - was vielleicht die einfachste und beste ist.
    »Meine erste Frage«, erklärte ich, »ist die: Wo bist du gewesen? Hast du die anderen gefunden? Haben sie versucht, dir etwas anzutun? Dieser ganze Quatsch, du weißt schon, weil ich die Regeln verletzt habe, als ich dich machte, und so weiter.«
    »Der ganze Quatsch«, ahmte er mich nach mit dem französischen Akzent, den ich immer noch habe, gemischt mit eindeutigem Amerikanisch. »Was für ein Quatsch.«
    »Komm.« Ich zog ihn mit mir. »Laß uns drüben in der Bar weiterreden. Es hat dir ja offensichtlich keiner etwas getan. Ich habe eigentlich auch nicht geglaubt, daß sie das könnten oder wollten oder daß sie es überhaupt wagen würden. Ich hätte dich nicht so einfach in die Welt verschwinden lassen, wenn ich dich in Gefahr geglaubt hätte.«
    Er lächelte, und seine braunen Augen leuchteten. »Das hast du mir ja wohl ein gutes dutzendmal versichert, ehe wir uns trennten.«
    In der nur halb besetzten Bar fanden wir einen kleinen Tisch nahe der Wand. Wie wir wirkten? Wie zwei junge Männer, die darauf aus waren, sterbliche Männer oder Frauen anzumachen? Egal!
    »Nein, keiner ist über mich hergefallen«, sagte David, »und keiner hatte auch nur das geringste Interesse daran.«
    Jemand spielte Klavier, für eine Hotelbar sehr dezent, dachte ich. Etwas von Eric Satie. Wie schön.
    »Dieses Halstuch!« David beugte sich mit weißblitzendem Lächeln vor, die Fangzähne natürlich verhüllt. »Diese aufgeplusterte Seide! Das ist aber nicht Brooks Brothers!« neckte er mich leise lachend. »Guck dich bloß an! Und diese spitzen Schuhe! Meine Güte! Was geht nur in deinem Kopf vor? Und um was geht es hier eigentlich?«
    Ein Schatten fiel auf unseren Tisch, als ein Kellner über die Geräuschkulisse hinweg die üblichen Phrasen murmelte, die ich in meiner Erregung kaum wahrnahm.
    »Irgendwas Heißes, Rumpunsch oder etwas Ähnliches«, bestellte David. Das wunderte mich nicht. Mit einem Nicken bedeutete ich dem Kellner, daß ich das gleiche wollte.
    Vampire bestellen immer heiße Getränke. Zwar trinken sie sie nicht, aber es tut so gut, die Wärme zu fühlen.
    David starrte mich wieder an. Oder besser gesagt, dieser mir so vertraute Körper, in dem David steckte. Denn für mich würde David immer beides sein: das ziemlich gebrechliche menschliche Wesen, wie ich es einst gekannt und geschätzt hatte; und auch diese großartige, gebräunte Hülle, gestohlenes Fleisch, das langsam von Davids Eigenart, seinem Benehmen, seinen Stimmungen geformt wurde.
    Lieber Leser, seien Sie nicht weiter verwirrt: David tauschte seinen Körper gegen einen anderen ein, bevor ich ihn zu einem Vampir machte. Mit dieser Geschichte hier hat das nichts weiter zu tun.
    »Irgend etwas folgt dir mal wieder?« fragte er. »Das haben mir wenigstens Armand und Jesse gesagt.«
    »Wo hast du die beiden denn getroffen?«
    »Armand? Rein zufällig, in Paris. Er ging einfach so die Straße entlang. Der erste, den ich von den ändern traf.«
    »Und er versuchte nicht, dich anzugreifen?«
    »Warum sollte er? Jetzt sag, warum hast du nach mir gerufen? Wer oder was ist hinter dir her? Was soll das alles?«
    »Und du warst bei Maharet?«
    Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. »Lestat, ich habe über Manuskripten gebrütet, die seit Jahrhunderten kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hat. Ich habe Tontafeln in der Hand gehalten, die…«
    »David, der Gelehrte«, warf ich ein, »von der Talamasca erzogen zu einem perfekten Vampir - obwohl die wohl nie die leiseste Idee hatten, daß dir das passieren würde.«
    »Aber versteh mich doch. Diese Kostbarkeiten, die Maharet mir gezeigt hat. Versteh doch, was es für mich bedeutet. Tafeln in der Hand zu halten, die mit Keilschrift bedeckt sind. Und Maharet selbst! Und wenn ich als Mensch Jahrhunderte alt geworden wäre, ich hätte sie nie zu sehen bekommen.«
    Maharet war wirklich die einzige, die er je zu fürchten hatte. Das wußten wir wohl beide. Wenn ich an Maharet dachte, dann allerdings nicht mit einem Gefühl der Bedrohung. Viel mehr dominierte das Geheimnis,
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