Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
Autoren: Thomas Bogenberger
Vom Netzwerk:
beizukommen ist. Man hüte sich demnach, nach „oans“ und „zwoa“ auch noch „droa“ zu sagen!
    Ich habe also versucht, bairisch zu schreiben, obwohl man dabei nur scheitern kann. Wollte man es einigermaßen richtig machen, müsste man zur Lautschrift greifen – Sie wissen schon, diese hieroglyphenartigen Zeichen aus Wörterbüchern. Das wäre korrekt und würde den eingefleischten Heimatpfleger mit fundierter semantischer Vorbildung gewiss erfreuen. Aber sonst könnte es keiner lesen und dieses Buch wäre gar nicht erst gedruckt worden.
    Dann gäbe es die ganz zahme Variante, einen Satz umzustellen, vielleicht bei „ist“ mal das t wegzulassen und „ned“ zu schreiben statt „nicht“. Das war mir wiederum zu wenig. Also habe ich mich für den Kompromiss entschieden, das Bairisch so zu schreiben, dass es möglichst auch der Nichtbayer ohne Augenkrampf lesen kann und der Bayer die bairische Klangfärbung hoffentlich selbst ersetzen wird, so wie er sie kennt, vor allem wenn der Originalklang nur durch schwere Buchstabenverrenkungen oder den Einsatz von norwegischen Akzenten darstellbar wäre.
    Wenn ich also „hab i gsagt“ schreibe, dann gehe ich natürlich davon aus, dass fast ein jeder weiß, dass das a in beiden Wörtern keinesfalls ein offenes, hochdeutsches ist wie, sagen wir, in Cannabis oder Gasexplosion, sondern so eine kehlige Mischung aus a und o, etwa so wie im englischen „call“ oder „wall“. Es ist aber definitiv kein o – daher auch nicht „hob i gsogt“! Ich zähle da ganz auf Ihre intelligente Mitarbeit ...
    Jetzt endlich zu unserem Satz. Ich hoffe, Sie können ihn schon auswendig! Falls nicht, wiederhole ich ihn hier noch einmal, damit Sie nicht immer umblättern müssen:
    „Wenn i dem Biaschal oane aufgstricha hätt, waar er übern ganzn Chiemsee gflogn, des kenna S’ ma fei glaum, Herr Kommissar! I hab’n aber gar ned troffa. I woaß ah ned, warum der so ausschaugt ...“
    Anhand dieses Satzes wollen wir uns mal anschauen, wie das Ganze klingt:
    „Wenn ...“ Schon das wenn klingt eher wie ein gedehntes helles wen oder wehn. Wäre aber verwirrend, es so zu schreiben, oder?
    „... i ...“ Ein stark betontes langgezogenes iihh. „Wie das bei anderen wäre, weiß ich nicht, aber bei mir können Sie davon ausgehen, dass ...“ Das alles steckt in diesem einen i drin! Und es kündigt auch gleich noch die folgende dezente Übertreibung an.
    „... Biaschal ...“ Der Anfang klingt fast nach Bier, da liegt auch die Betonung, der Rest kippt mit hellem a so ein bisschen nachlässig nach hinten weg. Das Nicht-ernst-Nehmen des besagten Bürschchens steckt in dieser abfallenden Endung also voll mit drin.
    „... aufgstricha ...“ Aufgestrichen. Damit ist nicht Nutella gemeint, sondern eine handfeste Äußerung körperlicher Gewalt. Dem Hamburger sei gesagt, dass es selbstverständlich immer ein seh ist, was man hört, also eigentlich: aufgschdriecha! So wäre aber das „gestrichen“ für den Uneingeweihten viel schwerer erkennbar.
    „... waar ...“ Achtung Falle: Wäre, nicht war! Konjunktiv! Der Bayer legt großen Wert auf einen gepflegten Konjunktiv. Damit steht er meines Wissens unter den deutschen Dialekten ziemlich allein auf weiter Flur. Und es handelt sich in diesem Fall um ein sehr, sehr langes und ganz helles aa, so ein Mahathma-Gandhi-aa. Ich habe hier versucht, den Konjunktiv durch das doppelte aa vom vergangenen „war“ zu unterscheiden. Macht aber manchmal keinen Sinn, z. B. bei „kannt“ – könnte, mit einem kurzen hellen a, heller als bei Kant (dem von Kant und Hegel...). Wir merken uns dazu den Lehrsatz „Wenn i fliagn kannt, daad i’s!“
    Gut, jetzt ein bisschen schneller weiter, ich denke, die Feinsinnigen unter uns haben das Prinzip schon begriffen. Allerdings kann man manches doch nicht oft genug wiederholen:
    „... Chiemsee ...“ Muss ich es hinschreiben? Für die ganz Unbelehrbaren? Wirklich? Na gut, ich tu’s: Kiemsee. Kiemsee! Mit K. Mit Kaaah, nicht mit Cchhh, wie manche meinen! Die mögen meinetwegen China mit Cchhh aussprechen – aber bitte nicht das Bayerische Meer! Und unter gar keinen Umständen, niemals: SCHiemsee! Da hört ... Da hört der Spaß auf!
    „... des kenna S’ ...“ Das können Sie ... Die beiden e’s sind so hell und lang wie z. B. in „Kenia“. Und dann spricht man kein doppeltes n, sondern „kehnas“, aber wer würde das noch erkennen? In anderem Zusammenhang könnte es übrigens auch „das kennen Sie“
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher