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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod
Autoren: Michael Koglin
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irgendeine Möhre, die nie und nimmer hätte gewinnen dürfen.«
    »Und auf meine Tipps ist Verlass, wie?«
    »Mach dir keine Sorgen um deine Tipps, sag mir einfach, was du siehst. Ich glaub an das Anfängerglück. Das ist was Besonderes.«
    Er beugte sich dicht an mein Ohr.
    »Sag einfach, was du fühlst«, sagte er. »Aus dem Bauch heraus, du verstehst?«
    »Ich werde von bunten Jockey-Kostümen geblendet, von Zirkuspferden, die schön sind, aber auf der Bahn vielleicht völlige Versager und ich steh auf Namen. Wenn ich einen Namen höre …«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Harley. »Die Wege des Herrn sind unergründlich und die Tagesform von Pferden das dritte Große Weltwunder.«
    »Und die anderen beiden?«
    »Das größte Weltwunder sind die Frauen«, sagte er und massierte sein Knie.
    »Und wer hält den zweiten Platz?«
    »Noch mal Frauen«, sagte Harley und selbst durch seine Sonnenbrille hindurch war zu sehen, dass er gerade an ein böses Erlebnis erinnert wurde.
    »Omen, ich hab darüber nachgedacht. Immer wieder. Vielleicht sprechen Männer und Frauen einfach unterschiedliche Sprachen. Klar ist alles Deutsch, in Wirklichkeit aber sind es zwei Sprachen. Da haben Worte eine ganz andere Bedeutung, und auch wie du was sagst und wie laut und vor allem die Pause zwischen den Wörtern, das ist vielleicht alles ganz verschieden.«
    »Vielleicht sollte man dich als Sonderbotschafter in die nächste Konferenz der Kultusminister schicken«, schlug ich vor.
    »Egal, hier geht es um Wetten und damit um mein Risiko«, sagte Harley. »Du gibst deine Tipps ab, tust dein Bestes und fertig.«
    Harley ließ mich mit meinen Fragezeichen allein und ich machte mich gleich an die Arbeit. Ich lief im Führring einmal die Bahn ab, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was in einem Pferd so vorgeht, wenn es da im Kreis geführt wird, und alle Leute stehen drum herum, grübeln und füllen ihre Wettscheine aus. Möglich, dass es einem Pferd mächtig in die Knochen fährt, wenn es die Jockeys sieht und sich sagt, ich bin viel größer und hab statt zwei Beinen auch vier und schneller bin ich auch … Pferdepsychologie, du verstehst? Da muss man sich einfinden.
    Kurz und gut, der heilige Pferdegeist war in mich gefahren und ich war wild entschlossen, Harleys Investition in meine Eintrittskarte wieder wettzumachen.
    Vom Lautsprecher bei der Videoleinwand dröhnte mir eine Bierreklame entgegen. Junge Menschen schwitzten, hatten Flaschen in der Hand und einige sprangen von einem Holzwrack direkt in blau leuchtendes Wasser. Dann folgten Spots über Eis und Mineralwasser und Autos und dann ein Gespräch mit dem Teekönig, der sich über die Chancen seiner Pferde ausließ.
    Die Bodenverhältnisse seien nicht optimal, sagte der Herr über eine staatliche Anzahl von Vollblütern. Doch im sechsten Rennen würde er ein Pferd an den Start bringen, das ihn geradezu liebte, den Sumpf von Horn. Ich schrieb mir den Namen des Pferdes auf. Vielleicht hat der ja Schwimmhäute an den Hufen, dachte ich mir und Harley sahnt mit diesem Tipp mächtig ab.
    Die Klappstühle auf der Tribüne und auch die Bänke im Innenraum füllten sich. Ein junger Vater hatte es sich dicht an den Rails bequem gemacht und brütete über der Rennzeitung. Die Mutter verteilte eine Portion Pommes frites an ihre beiden Kinder, die wild entschlossen nach Abenteuern Ausschau hielten. Daneben richtete sich die Abordnung eines Altersheims mit ihren Sitzkissen auf einen Nachmittag ohne Torte und Besuch von ihren langweiligen Kindern ein. Ein Rentner, vielleicht so um die Siebzig, stieß seine Nachbarin an, legte die Zeitung auf den Tisch und trommelte mit dem Kugelschreiber auf die Zeitung. Er musste den Außenseiter des Nachmittags gefunden haben und freute sich schon auf eine Kreuzfahrt auf der Aida .
    Ja, hier gaben sich Berufszocker, Gärtner, Busfahrer, Altenpfleger, Filialleiter und Sachbearbeiter ein Stelldichein. Anorak neben Anzug neben Wildlederblouson neben Anorak neben Trenchcoat.
    Fotografen schleppten ihre Ausrüstung übers Geläuf und auf dem Dach des Waagegebäudes brachten sich die ersten Journalisten neben Pferdebesitzern in Stellung.
    Nein, ein ruhiger Nachmittag würde das bestimmt nicht werden, aber ich musste genau hinsehen. Noch saß Sofort in aller Ruhe auf meinem Rücken und rührte sich nicht. Darf ich vorstellen? Sofort ist das, was kluge Menschen »Intuition« nennen würden. Andere sprechen ihn mit »dunkle Ahnung« an oder sagen: »Tach,
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