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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod
Autoren: Michael Koglin
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Die Gier. Doch sie hatte mich bereits ins Visier genommen, nur wusste ich das noch nicht.
    Die Häuser um mich herum krallten sich in die Vorgärten, duckten sich über dem Boden, als fürchteten sie sich vor einem erneuten Bombenhagel. Dabei war er blau, der Himmel über Hamburg-Horn. Keine Bomberstaffeln und auch kein Feuersturm, der sich durch die Straßen fraß. Nur etwas verloren mittendrin ein Flugzeug, das einen Schriftzug hinter sich herzog: »Stell Dich deinem Glück – Den Rest versichern wir.«
    Ringsum roter Klinker, graue Gardinen, rostende Kinderwippen, verlassene Sandkisten. Nein, das Glück leuchtete hier nicht vom Himmel, es galoppierte. Und versuchte, über die Gier zu triumphieren. Drüben, auf der anderen Straßenseite, hatten sie aufgesattelt und preschten übers Geläuf. Hamburg Horn lud zur Derbywoche.
    Und war das Zielfoto geschossen, kroch das Glück in die Wettbuden, zierte sich ein wenig und ließ sich dann von schwitzigen Fingern aus den Kassen ziehen. Da brauchst du nur die richtigen Zahlen auf deinem Schein.
    Ja, da drüben konnte das Glück jeden treffen. Es katapultierte dich auf den Thronsessel an der Sonne oder aber es vergisst dich. Und manchmal tötet es. Sicher ist niemand. Gleichgültig, ob du eben noch auf einem alten Gartenstuhl an den Rails gesessen hast, in einem VIP-Zelt aufpassen musstest, den Champagner nicht zu verschütten oder schon das nächste Rennen ausgerechnet hast. Richtig, das ist Penner-Philosophie. Gar nichts davon musst du glauben. Gott sei Dank denk ich ja nicht so viel.
    Ich stand also auf der anderen Straßenseite. Drüben strebten die Menschen durch den Haupteingang. Bewaffnet mit Schirmen, Stühlen oder ausladenden Hüten, alle mit einem Ziel: Dem Glück entgegen und dann möglichst schnell, die sich in der Tasche reibenden Hoffnungen in bare Münze umtauschen. Nur ein Penner wie ich hat dort nichts zu suchen. Das letzte Hemd hat leider keine Taschen. Wir benutzen Plastiktüten.
    »Was hast du für mich?«, sagte ein bärtiger Mann, der sich neben mich gestellt hatte. Sein Bart zog sich wie eine Aschespur über das Kinn und die Wangen. Ein Waldbrand, der über seine sprießende Gesichtslandschaft gerast war. Freundlich blitzende Augen, Lederweste. Am Hals eine Kette mit einem Kreuz.
    »Nichts«, sagte ich.
    Seine Augen fuhren über meine Filzmütze, die Haare und den fast bis auf den Boden fallenden Mantel, blieben schließlich an den Schuhen hängen. Kann ja nun nicht jeder Kunde bei Armani sein.
    »Heilige Scheiße, gerade aus dem Russland-Feldzug zurück, was?«, sagte er.
    Dabei war ich gerade auf der Flucht vor allen Kriegsschauplätzen und Frontlinien dieser Welt. Mit leichtem Gepäck und feurigem Blick. Aber raushalten? Ich hätte meine Plastiktüte unter den Arm klemmen und das Weite suchen sollen. Meiner Wege gehen, wohin der Asphalt mich führte. Keine Chance. Ist wie mit der Weihnachtsstimmung. Ist die erstmal ausgebrochen, musst du durch die Läden und an die Kassen. Und überall leuchten die Lichterketten.
    Selbst den Pennern setzen sie eine Weihnachtsmütze auf. Mit Bommel. Und wenn nicht, dann schnappst du sie dir freiwillig. Schließlich gibt das einen mächtigen Umsatzschub in deinem Pappbecher. Weihnachten ist für die Hüter der Straßen und Pflastersteine eine gute Saison. Für ein paar Augenblicke fährt das Christkind in die Menschen und sie wollen dir unbedingt was schenken. Weil das der Feierlichkeit hilft. Schließlich haben sie das ein ganzes Jahr nicht von sich gekannt und nun erinnert es sie daran, wie großartig sie eigentlich sind. Und wir Penner müssen ihnen dabei helfen. Ist unsere kosmische Aufgabe.
    Doch das Weihnachtsfest war weit, weit weg. Da drüben auf der Horner Rennbahn ging es ums Zocken, es ging um Bares. Da schenkte dir niemand was, denn aus jedem Euro wurden in den Träumen gut gefüllte Konten, Sportwagen und Segelurlaube auf den Seychellen. Und nie wieder Angst vorm Chef.
    Der Bärtige musterte weiter meinen Mantel. Der hatte tatsächlich schon bessere Tage gesehen.
    »Russland-Feldzug?«, fragte ich zurück und teilte ihm mit, dass die Lage am Don gar nicht rosig aussähe.
    Ich stopfte meine Plastiktüte unter den Arm und versuchte hier wegzukommen. Keine gute Idee, sich hier rumzutreiben. Bei Glück und Gier im Spiel sind alle furchtbar aufgeregt und nesteln an ihren Haaren, trippeln auf der Stelle und wedeln mit ihren Wettscheinen. Nicht gerade ein Wellness-Ausflug. Schon gar nicht für so 'n schlichtes
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