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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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der die Mappe holen wolle. Sie habe den
Garderobeschein verloren. Die Tasche wurde abgeholt, und zwar von Mrs. Fennans
üblichem Begleiter.
     
    In diesem
Stadium wurde der Fremde als ein Angestellter der Stahl-Mission namens Mundt
identifiziert. Der Chef der Mission war Herr Dieter Frey, der während des
Krieges mit unserem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, ein Mann von großer
taktischer Erfahrung. Nach dem Kriege war er in Deutschland in der russisch
besetzten Zone in den Staatsdienst getreten. Ich möchte noch erwähnen, daß Frey
während des Krieges mit mir zusammen auf dem Gebiet des Feindes gearbeitet und
sich dabei als ein brillanter, jeder Situation gewachsener Agent erwiesen
hatte.
    Ich
entschloß mich nun, noch einmal mit Mrs. Fennan zu reden. Sie brach zusammen
und gestand, bei der Spionage ihres Mannes als Kurier fungiert zu haben. Ihr
Mann sei auf einem Skiurlaub vor fünf Jahren von Frey angeworben worden. Sie
selber habe nur widerwillig mitgearbeitet, teils aus Loyalität zu ihrem Gatten,
teils, um Gelegenheit zu haben, ihn bei der Durchführung seiner Arbeit als
Spion vor seiner Zerstreutheit zu schützen. Frey habe mich im Park mit Fennan
reden gesehen. Er habe angenommen, daß ich noch immer im Dienst sei, und daraus
geschlossen, daß Fennan entweder in Verdacht geraten oder ein Doppelagent sei.
Er befahl Mundt, Fennan zu liquidieren, und seine Frau war durch ihre Mitschuld
zum Schweigen gezwungen. Sie hatte sogar auf einem Blatt, das schon Fennans
Unterschrift trug, den Abschiedsbrief geschrieben.
    Das
Kommunikationsmittel, das sie bei der Weiterleitung der Ergebnisse der
Spionage ihres Gatten an Mundt verwendete, ist von erheblicher Bedeutung. Sie
legte die Mitteilungen und Abschriften von Dokumenten in eine Notenmappe, die
sie ins Theater mitnahm. Mundt brachte eine ähnliche Mappe, die Geld und
Anweisungen enthielt, und deponierte sie ebenso wie Mrs. Fennan in der
Garderobe. So brauchten sie nur die Garderobescheine zu tauschen. Als Mundt an
dem fraglichen Abend nicht erschien, folgte Mrs. Fennan den erhaltenen
Instruktionen und gab den Garderobeschein an eine Adresse in Highgate auf. Sie
verließ das Theater, bevor die Vorstellung zu Ende war, um noch die letzte
Post aus Weybridge zu erreichen. Als dann Mundt später an diesem Abend die
Mappe von ihr verlangte, sagte sie ihm, was sie gemacht hatte. Mundt bestand
darauf, die Tasche gleich zu holen, weil er nicht noch einmal aus London nach
Weybridge fahren wollte.
    Als ich an
dem Tag, der auf den Mord folgte, mit Mrs. Fennan gesprochen hatte, versetzte
eine meiner Fragen, und zwar die wegen des Anrufes um halb neun, Mrs. Fennan
derart in Schrecken, daß sie Mundt anrief. Das erklärt seinen Mordversuch an
mir später am gleichen Tage.
    Mrs.
Fennan gab mir die Adresse und die Telefonnummer, die sie benutzte, wenn sie
sich mit Mundt in Verbindung setzen wollte, den sie übrigens unter dem Decknamen
Freitag kannte. Beide führten zu dem möblierten Zimmer eines Piloten der
»Lufteuropa«, der viel mit Mundt zusammen war und der ihm auch, wenn nötig,
Unterkunft gewährte. Der Pilot (vermutlich ein Kurier des ostdeutschen Spionagedienstes)
ist seit dem 5. Januar nicht mehr nach England zurückgekehrt.
    Das war
alles, was Mrs. Fennan verriet, und es führte in gewissem Sinn zu nichts. Der
Spion war tot, die Mörder verschwunden. Was man noch tun konnte, war, den entstandenen
Schaden zu veranschlagen. Man trat offiziell an das Außenamt heran, und Mr.
Felix Taverner wurde beauftragt, aus Aufzeichnungen dieses Amtes
festzustellen, welches Material im Verdacht stand, verraten worden zu sein.
Eine Liste wurde aufgestellt, in der alle Akten enthalten waren, zu denen
Fennan seit seiner Anwerbung durch Frey Zutritt gehabt hatte. Merkwürdigerweise
stellte sich dabei heraus, daß er in keiner Weise systematisch Geheimakten
angefordert hatte. Fennan hatte sich aus dem Archiv keinerlei geheime Dokumente
kommen lassen, außer solchen, die sich auf seine Arbeit bezogen. Während der
letzten sechs Monate, in denen seine Vollmacht zum Zutritt zu streng vertraulichem
Material bedeutend ausgeweitet worden war, hatte er tatsächlich überhaupt keine
Geheimakten mit nach Hause genommen. Die Unterlagen, die er mitnahm, waren alle
von geringer Wichtigkeit, und einige davon behandelten Gegenstände, die
eigentlich außerhalb des Arbeitsbereiches seiner Abteilung lagen. Das paßte
alles nicht zu Fennans Rolle als Spion. Es bestand jedoch die Möglichkeit, daß
er
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