Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
Vom Netzwerk:
schmutzigen Nebel, sein
Mund war heiß und trocken und schmeckte nach Blut. Mühsam nach Atem ringend,
schrie er verzweifelt: »Dieter!«
    Frey sah
ihn an, nickte und sagte: »Servus, George«, während er gleichzeitig Mendel
einen brutalen Schlag versetzte. Er erhob sich langsam und hielt die Pistole
mit beiden Händen nach abwärts, um sie zu spannen.
    Smiley
stürzte sich blindlings auf ihn. Er vergaß völlig, wie wenig geschickt er mit
seinen kurzen Armen immer im Faustkampf gewesen war, wie schlecht er es
verstand, mit der offenen Hand zuzuschlagen. Sein Kopf rammte Dieters Brust,
er stieß mit aller Kraft nach vorne und trommelte auf Dieters Rücken und Rippen
los. Er war völlig außer sich vor Wut, und als er merkte, daß ihm die Raserei
Riesenkräfte gab, drückte er Dieter weiter gegen das Geländer der Brücke hin.
Dieter hatte das Gleichgewicht verloren und wich, durch sein schwaches Bein
behindert, zurück. Smiley wußte, daß Dieter auf ihn losschlug, aber der
entscheidende Hieb kam nicht. »Schwein, du Schwein«, schrie er ihm zu, und als
Dieter noch weiter zurückwich, bekam Smiley die Arme frei und bearbeitete sein
Gesicht jetzt mit ungeschickten, kindlichen Schlägen. Dieter lehnte nach
rückwärts, und Smiley sah die klaren Konturen seiner Kehle und seines Kinns,
als er mit ganzer Kraft seine offene Hand nach oben stieß. Seine Finger
schlossen sich über Dieters Unterkiefer und Mund, und Smiley drückte ihn weiter
und weiter zurück.
    Dieters
Hände waren an Smileys Kehle, und dann klammerten sie sich plötzlich an seinen
Kragen, als er einen verzweifelten Versuch machte, sich zu retten, während er
langsam nach rückwärts sank. Smiley schlug wie rasend auf seine Arme los, und
dann lösten sich die Hände von ihm, und Dieter fiel, fiel in den brodelnden
Nebel unter der Brücke. Es war ganz still. Kein Schrei, kein Aufklatschen im
Wasser. Er war dahin, dem Nebel Londons und dem schmutzigen schwarzen Fluß
darunter wie ein Menschenopfer dargebracht.
    Smiley
lehnte sich über die Brücke, in seinem Kopf tobte es wild, Blut rann ihm aus
der Nase, und die Finger der rechten Hand konnte er nicht gebrauchen. Sie waren
anscheinend gebrochen. Seine Handschuhe waren weg. Er blickte in den Nebel
hinunter, konnte aber nichts sehen.
    »Dieter«,
schrie er in der Qual seines Herzens, »Dieter!«
    Er rief es
noch einmal, aber die Stimme versagte ihm, und er brach in Tränen aus:
»Barmherziger Gott, was habe ich getan, ach, mein Jesus, Dieter, warum hast du
mich nicht zurückgehalten, warum hast du nicht mit der Pistole zugeschlagen,
nicht geschossen?«
    Er preßte
seine Hände vor das Gesicht und fühlte den Salzgeschmack des Blutes an seinen
Handflächen, vermischt mit dem Salz seiner Tränen. Er lehnte sich gegen die
Brüstung und weinte wie ein Kind. Irgendwo unter ihm kämpfte ein Krüppel in dem
schmutzigen Wasser um sein Leben. Verloren und erschöpft erlag er endlich dem
stinkenden Dunkel, das ihn festhielt und hinunterzog.
    Als er
erwachte, saß Guillam am Fußende seines Bettes und goß Tee ein.
    »Da sind
Sie ja, George. Willkommen! Es ist zwei Uhr nachmittags.«
    »Und heute
nacht. . .?«
    »Heute nacht haben Sie mit Kamerad
Mendel auf der Battersea Bridge Weihnachtslieder gesungen.«
    »Wie geht es ihm ... ich meine
Mendel?«
    »Entsprechend beschämt. Erholt
sich aber rasch.«
    »Und Dieter . ..?«
    »Tot.«
    Guillam
reichte ihm eine Tasse Tee und einige Ratafia-Kuchen von Fortnums.
    »Wie lange
sind Sie schon hier, Peter?«
    »Ja, also
wir sind hergekommen, nachdem wir eine Reihe von taktischen Haken geschlagen
hatten. Der erste Seitensprung war in das Spital in Chelsea, wo sie Ihnen die
Wunden geleckt und ein recht anständiges Schlafmittel verpaßt haben. Dann sind
wir hierher zurück, und ich habe Sie ins Bett gebracht. Das war scheußlich.
Dann habe ich eine Menge telefoniert und bin sozusagen mit einer Mistgabel
herum und habe Ordnung gemacht. Gelegentlich habe ich nach Ihnen gesehen.
Cupido und Psyche könnte man sagen. Sie haben entweder wie ein Sattelrücken geschnarcht
oder Webster zitiert.«
    »Um Gottes
willen!«
    »Ich
glaube, es war aus >Die Herzogin von Malfi<: >Ich bat dich, als ich
ganz von Sinnen war: Geh hin und morde meinen liebsten Freund, und du hast's
getan!< Das ist ein entsetzlicher Blödsinn, George.«
    »Wie hat
uns denn die Polizei gefunden, Mendel und mich?«
    »George,
Sie werden es vielleicht nicht wissen, aber Sie haben Dieter Schimpfworte
zugebrüllt, als ob . .
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher