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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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Brief
notierten Datum statt.
    Es bestand
die Möglichkeit, daß Frey, dessen Methoden sich offenbar seit dem Krieg wenig
geändert hatten, noch immer dieses System benutzte, das ja auf jeden Fall nur
selten gebraucht wurde. Damit rechnend, gab ich an Elsa Fennan eine
Ansichtskarte auf, die eine Kirche zeigte, und warf sie in Highgate in den
Postkasten. Ich hatte die - allerdings ziemlich kühne - Hoffnung, sie würde
annehmen, die Karte käme über Freys Büro. Aber sie reagierte sofort, indem sie
eine Karte für eine Vorstellung in einem Londoner Theater an eine unbekannte
Adresse abschickte, wobei zu bemerken ist, daß die Vorstellung fünf Tage nach
dem Datum, das ich auf die Karte geschrieben hatte, stattfinden sollte. Mrs.
Fennans Mitteilung erreichte Frey, der sie für eine dringende Einladung zu
einem Rendezvous hielt. Da er wußte, daß Mundt durch Mrs. Fennans »Geständnis«
kompromittiert war, entschloß er sich, selbst zu kommen.
    Daher
trafen sie einander am Donnerstag, dem 15. Februar, im Sheridan-Theater in
Hammersmith.
    Zuerst
nahm jeder von beiden an, der andere habe das Zusammentreffen veranlaßt, aber
als Frey klar wurde, daß sie durch einen Trick zusammengebracht worden waren,
schritt er zu drastischen Maßnahmen. Vielleicht hatte er auch den Verdacht,
Mrs. Fennan habe ihn in eine Falle gelockt, vielleicht bemerkte er, daß er
beobachtet wurde. Alles das werden wir nie erfahren. Auf jeden Fall ermordete
er sie. Die Methode, deren er sich dabei bediente, ist wohl am besten aus dem
Protokoll des Beamten zu entnehmen, der die offizielle Leichenschau vorgenommen
hat: »Auf den Kehlkopf ist ein einmaliger, heftiger Druck ausgeübt worden,
besonders auf die Schildknorpel, was fast augenblicklich den Tod herbeiführte.
Es scheint, als sei der Mörder Mrs. Fennans auf diesem Gebiete kein Laie
gewesen.«
    Frey wurde
bis zu einem Hausboot verfolgt, das in der Nähe der Cheyne Walk vertäut lag,
und fiel in den Fluß, als er sich seiner Festnahme heftig widersetzte. Seine
Leiche ist geborgen worden.
     
    Zwischen zwei Welten
     
    An
Sonntagen kam normalerweise niemand in Smileys drittklassigen Klub, aber Mrs.
Sturgeon ließ die Tür offen für den Fall, daß einer ihrer Gentlemen dennoch den
Wunsch haben sollte, zu kommen. Sie nahm ihren Herren gegenüber dieselbe
strenge, autoritative Haltung ein, wie sie es als Zimmervermieterin in Oxford
getan hatte, als sie von den Mietern, die sie beglückte, mehr Respekt verlangt
hatte als die ganze Gesellschaft von großen Herren und Pedellen der Universität
zusammengenommen. Sie verzieh einem zwar alles, aber irgendwie ließ sie
jedesmal durchblicken, daß sie nur in diesem einen und einzigen Fall Pardon
gegeben hätte und sich das nie - nie und nimmer wiederholen würde. Sie hatte
einmal Steed-Asprey gezwungen, zehn Shilling in die Sammelbüchse für die Armen
zu legen, weil er sieben Gäste mitgebracht hatte, ohne ihr das vorher gebührend
mitzuteilen. Aber nachher hatte sie das grandioseste Dinner des Jahrhunderts
auf den Tisch gestellt.
    Sie saßen
wie das letztemal am Tisch. Mendel sah um eine Nuance gelber aus, eine Spur
älter. Er sprach kaum während des Essens und führte Messer und Gabel mit der
gleichen Präzision, die er auf alles verwandte, das er anfaßte. Guillam
bestritt den größten Teil der Konversation, denn auch Smiley war weniger
gesprächig als sonst. Sie fühlten sich in ihrer Freundesrunde wohl, und keiner
spürte in sich den Drang, besonders viel zu reden.
    »Warum hat
sie es getan?« fragte Mendel plötzlich.
    Smiley
schüttelte langsam den Kopf: »Ich glaube, daß ich es weiß, aber ich kann auch
nur mutmaßen. Ich glaube, daß sie von einer Welt ohne Konflikte geträumt hat,
die von der neuen Weltanschauung regiert und erhalten wird. Sehen Sie, ich habe
sie einmal in Wut gebracht, und da hat sie mir zugeschrien: >Ich bin die
ewige Jüdin, das Niemandsland und das Schlachtfeld für eure Spielzeugsoldaten.<
Als sie zu sehen glaubte, daß das neue Deutschland nach dem Muster des alten
aufgebaut wurde, sah, wie der protzige Stolz zurückkehrte, wie sie sagte, da,
glaube ich, war es ihr einfach zuviel. Ich meine, sie sah die Fruchtlosigkeit
ihres Leidens und den Wohlstand ihrer Peiniger und rebellierte ganz einfach.
Vor fünf Jahren hatten sie Dieter bei einem Skiurlaub in Deutschland getroffen.
Zu dieser Zeit bahnte sich die Wiederherstellung Deutschlands als prominente
westliche Macht bereits augenfällig an.«
    »War sie
eine
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