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Capitol

Capitol

Titel: Capitol
Autoren: Orson Scott Card
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Garol hatte keinen getroffen, der, wie er, durch bemerkenswerte Leistungen Schläfer geworden war.
    Es gibt heute im Universum nicht mehr viele bemerkenswerte Leistungen, fiel Garol ein. Und er fing an, Somec zu hassen.
    Zuerst spielte er mit dem Gedanken, kein Somec mehr zu nehmen und so als Werkzeug des Systems auszuscheiden, was schon der alte Mann hatte erreichen wollen. Aber er sah bald ein (oder rationalisierte – er war ehrlich genug zuzugeben, daß ihm an Unsterblichkeit ebensoviel gelegen war wie jedem anderen), daß sein Ausstieg aus dem Somec-System kaum eine derartige Schockwelle auslösen würde, daß sein Zusammenbruch erfolgen mußte.
    Außerdem wollte er gar nicht, daß es zusammenbrach. Er wollte reformieren. Den wenigen Somec geben, die es wirklich verdienten – und dann das Privileg ohne Ansehen des Reichtums oder des sozialen Status auf faire Weise ausdehnen, vielleicht durch eine äußerst streng überwachte Lotterie oder eine Quote von einer gewissen Anzahl von Individuen pro Familie, irgendwie – alles, nur nicht die korrupte Methode, bei der Reichtum und Grausamkeit mit Unsterblichkeit belohnt werden.
    Er stellte bald fest, daß eine Somec-Reform gar nicht selten Diskussionsgegenstand war. Es gab andere, die sich über Ungleichheit oder Ungerechtigkeit Gedanken machten, und bald nahm Garol mit ganzen Gruppen von Somec-Benutzern seiner Ebene, die sich für Reformen einsetzten, Kontakt auf.
    Um das System zu reformieren, müssen wir die Regierung reformieren, erklärten diese Gruppen. Und um die Regierung zu reformieren, müssen wir die Regierung übernehmen.
    Und so kam es, daß Stipock den schmalen Grat zwischen sozialem Engagement und politischer Verschwörung überschritt. Bald arbeitete er fast die ganze Zeit für diese Gruppen; er erfand Waffen, die sich leicht verbergen ließen, entwickelte Computersprachen, mit deren Hilfe sie Computerzeit und Speicherkapazität stehlen konnten, ohne daß es jemandem gelang, ihre eigenen Programme anzuzapfen, und er erfand eine Maschine, die einen Menschen so desorientieren konnte, daß er jedes Geheimnis ausplauderte – die perfekte psychologische Sonde, etwas, nach dem die Psychologen so eifrig gesucht hatten wie die Alchimisten nach dem Stein der Weisen.
    Sie kamen ihrem Ziel immer näher. Es schien, als ob der Sieg innerhalb von hundert Jahren in greifbare Nähe rücken könnte.
    Und dann stieß sich Stipock wieder einmal hart an den Realitäten. Eine zufällige Bemerkung anläßlich der Versammlung einer kleinen Verschwörerzelle zwang seine Aufmerksamkeit auf etwas, das er seit Jahren zu ignorieren versucht hatte.
    »Hört auf, euch über die Reform zu streiten«, hatte eine temperamentvolle junge Dame geschrien, als die Debatte zu hitzig wurde. »Es spielt doch keine Rolle, wie wir das System reformieren, solange jeder glücklich ist und wir Somec bekommen.«
    Alle lachten nervös und hörten mit der Diskussion auf, aber Garol Stipock reduzierte ihre Aussage auf die zugrunde liegende Wahrheit. Normalerweise erwähnte sie niemand, aber jeder einzelne Verschwörer war Somec-Benutzer, und keiner von ihnen wäre mit einer Somec-Reform einverstanden, die ihm das Somec entziehen würde. Es war, als ob sie alle glaubten, daß die simple Teilnahme an der Revolution ihren Anspruch auf Somec sicherstellen würde. Dabei hatten sehr wenige von ihnen auch nur den Schatten eines Anspruchs wenn es nach Verdienst ginge.
    Die Somec-Reform und unsere Revolution werden nichts verändern, sagte sich Stipock, und er wußte, daß er recht hatte.
    An jenem Abend ging er ganz verzweifelt nach Hause.
    Seine Wohnung war nicht groß. Er hätte sich da etwas mehr leisten können. Sie war auch nicht luxuriös ausgestattet. Nach den Lustanwandlungen seiner Jugend war er in mancher Hinsicht geradezu asketisch geworden. Er trieb häufig Sport, um in Form zu bleiben. Er aß mit Bedacht und nie zuviel. Sein Leben wurde begrenzt und eingefaßt von Gewohnheiten, die zu Ritualen geworden waren, und als er nach der Versammlung in seiner Wohnung angekommen war, verfiel er sofort wieder in diese Rituale. Er bereitete seine Mahlzeit, setzte sich zum Essen an den gewohnten Platz, absolvierte einige körperliche Übungen und las ein Buch. Aber sein Verstand verharrte nicht in dieser engen Begrenzung.
    »Ich bin ein Abschaffer«, sagte er endlich, obwohl Jahre vergangen waren, seit er jenen Alten sich so hatte nennen hören. »Es gibt keine Reform. Somec wird immer soziale Unterschiede
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