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Capitol

Capitol

Titel: Capitol
Autoren: Orson Scott Card
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»Ich weiß es aber, Dr. Tell. Wir könnten natürlich die Presse verständigen, wenn die Katastrophe eingetreten ist, können wir uns aber einen solchen Aufschub leisten? Wir werden die Leute warnen, und zwar sofort. Wir werden ihnen sagen, daß Somec genau die von uns behauptete Wirkung hat, mit einer Nebenwirkung: Es löscht das Gedächtnis aus.«
    »Verdammt, George, das wissen wir nicht!«
    »Wir vermuten es. Das genügt.«
    »Wenn Sie das tun, George, kann ich Ihnen versprechen, daß Sie in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Großbritannien oder sonstwo nie wieder einen Forschungs- oder Lehrauftrag bekommen werden!«
    »In fünf Jahren wird es in Amerika von russischen Truppen wimmeln, und keiner von uns wird dann einen Lehrauftrag haben, außer denen, die sich in einem Labor auskennen. Dann gibt es keine Experten für die Beschaffung von Mitteln mehr. Insofern schreckt mich Ihre Drohung kaum.«
    »Und wenn die Russen nicht kommen, Cassandra?«
    »Dann werde ich wenigstens einigen Menschen das Leben gerettet haben.«
    »Sie sind auf Schlagzeilen aus, Sie Dreckskerl, und wenn Amerikas Wissenschaft darüber vor die Hunde geht! Sie wollen einen Kreuzzug führen! Sie wollen –«
    Die Tür knallte ins Schloß, und den Rest der Ansprache hörte George nicht mehr. Er wußte, daß Dr. Tell in gewisser Weise recht hatte. Die Entdeckung geheimzuhalten, war auch Georges erster Impuls gewesen. Die ganze Nacht hatte er sich mit dem Problem herumgeschlagen, hatte kaum geschlafen, war dann um etwa vier Uhr morgens zu der Überzeugung gelangt, daß ihm eigentlich keine Wahl blieb. Entweder führte er diesen Kreuzzug und wurde von anderen Wissenschaftlern gehaßt, oder er konnte eins von den Schweinen sein, die alles vertuschten und von der ganzen Welt gehaßt wurden. Die ganze Welt aber war größer, und unter den Wissenschaftlern würde sowieso niemand das Gedächtnis verlieren.
    Er ging in sein Büro zurück, um seinen Schreibtisch auszuräumen und seine Bücher in Kisten zu packen. Die Reporter wollten ihn in drei Stunden in seiner Wohnung aufsuchen. Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als bliebe er im Institut. Sein Entlassungsgesuch lag schon auf dem Schreibtisch des Direktors. Es war nur noch eine Formalität, Dr. Tell zu verständigen, aber er leitete das Somec-Projekt und mußte es natürlich erfahren.
    Ich fühle mich wie ein Mörder. Wir hatten so große Hoffnungen in Somec gesetzt. Aber ist es meine Schuld? Nein. Wir waren zu aufgeregt. Wir dachten, wir hätten alles getestet. Wir verdienen es, für unsere Voreiligkeit und mangelnde Gründlichkeit bestraft zu werden.
    Bestraft? Bei dem Gedanken runzelte George die Stirn. Dies ist keine Frage von Strafe oder Schuld. Das Somec muß einfach weg, und wir müssen eine Möglichkeit finden, das Problem zu lösen.
    Als er seine Exemplare des Scientific American aus dem Regal zog, verstreute er sie in alle Richtungen auf den Fußboden. Es waren eine ganze Menge. In den jüngeren Ausgaben hatte er die Artikel, die er demnächst lesen wollte, durch Eselsohren gekennzeichnet. Ihre Lektüre war für ihn die einzige Möglichkeit, sich auf fachfremden Gebieten auf dem laufenden zu halten.
    Vielleicht um zu vermeiden, an die Aussagen zu denken, die er in ein paar Stunden den Reportern gegenüber machen wollte, vielleicht weil es ihm unangenehm war, sein Büro zu verlassen, nahm George das obere Exemplar auf und öffnete es beim ersten Eselsohr. Er überflog den Artikel, las zwei weitere und öffnete das nächste Exemplar.
    Aufzeichnung von Gehirninhalten war der Titel des ersten Artikels, den er sich vornahm: »Unmittelbares Lehren durch die Erzeugung von Strömen im Gehirn? Es rückt in den Bereich der Möglichkeit.« Er fesselte George so sehr, daß er sich ausgiebig mit ihm beschäftigte, und was er dort las, bedeutete, daß er trotz allem nicht aufgeben würde.
    Er brauchte eine halbe Stunde, um den ganzen Artikel zu lesen. Er brauchte weitere zehn Minuten, um sich telefonisch mit Doran Waite, dem Mann, der als Verfasser ausgewiesen war, in Verbindung zu setzen. Und es dauerte drei Minuten, die Hoffnung, die der Artikel in ihm geweckt hatte, bestätigt zu bekommen.
    »Ja, Dr. Rines, das ist richtig. Bei komplizierten Säugetieren wie den Primaten geht es nicht, aber bei Ratten können wir das gesamte Wissen einer Ratte in den Kopf einer anderen verpflanzen. Eine Zeitlang sind sie dann okay.«
    »Und anschließend?«
    »Anschließend nicht mehr. Sie werden
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