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Capitol

Capitol

Titel: Capitol
Autoren: Orson Scott Card
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»Verteidigung«, sagte der Premierminister von Quebec, bevor er wußte, daß die Russen versuchten, alles zu dementieren. »Aggression«, sagte der US-Präsident und versetzte die Truppen in Alarmzustand. »Versuchen Sie es nur«, sagte der russische Generalsekretär.
    Der US-Präsident verzichtete, und keiner bemerkte die Somec-Meldung.
    Als George feststellte, daß man bei ausgebildeten Schimpansen die Aufzeichnung vornehmen und ohne ungünstige Auswirkungen auf andere übertragen konnte, vorausgesetzt, diese hatten vorher Somec bekommen, war dies eine beachtenswerte Geschichte. Die Reporter meinten das auch, obwohl der Versuch erst eine Woche zurücklag – denn schließlich war in solchen Fällen jedesmal schon innerhalb einer Stunde die Geisteskrankheit aufgetreten.
    Aber die Öffentlichkeit erfuhr nichts davon, denn in derselben Woche hatten russische, polnische, ungarische und ostdeutsche Truppen die massiv verteidigte Grenze zu Westdeutschland und die weniger heftig verteidigte zu Österreich überrollt. »Stopp«, sagte der amerikanische Präsident. »Zwingen Sie uns doch dazu«, sagte der Generalsekretär. »Setzen Sie ihre Raketen ein«, rief der westdeutsche Kanzler. »Wir können nicht als erste Nuklearwaffen einsetzen«, antwortete der gequälte amerikanische Präsident. »Das hat Ihnen schon de Gaulle gesagt!« schrie es gedruckt aus den französischen Zeitungen, die plötzlich wieder gaullistisch waren. Aber niemand in Deutschland las sie – die russischen Truppen waren mittlerweile in Italien, die Schweiz, die Niederlande und Dänemark eingedrungen. Und obwohl amerikanische Soldaten starben, konnte der Präsident nicht auf den Knopf drücken oder es anderen befehlen. Er fand nicht einmal Leute, die bereit gewesen wären, es für ihn zu tun. »Amerikanische Versprechen sind wie ein Furz im Wind«, sagte der prominente Tory-Abgeordnete, und der Labour-Abgeordnete rügte nicht einmal die Grobheit.
    George Rines machte Aufzeichnungen aus den Gehirnen der nächsten Verwandten der gesündesten unter den Schläfern. Sie wachten auf und glaubten, sie seien die andere Person, aber Georges Personal – und die Verwandten – halfen den Aufgewachten behutsam dabei, ihre wahre Identität zu erkennen und in diese Rolle zu schlüpfen. Die Schimpansen, die ein anderes Schimpansengedächtnis bekommen hatten, wurde alle verrückt. Mit einem Schlag. Wie auf Stichwort.
    Und nur eine Woche später folgten die Schläfer.
    Dialog mit Thomas N. Cortia, dem letzten, der von den fünfen noch normal war.
    »Guten Morgen, Tom.«
    »Guten Morgen, George.«
    Es hat keinen Zweck, es Ihnen zu verheimlichen.
    »Mrs. Feean ist schon verrückt geworden.«
    Sie sind jetzt der Wundermann, Tom. Wie machen Sie das bloß?
    »Ich bin vielleicht ganz einfach stur. Vielleicht bin ich zu alt, verrückt zu werden. Vielleicht bin ich schon halb verrückt, und wir wissen es noch nicht.«
    Es gibt nicht viel Hoffnung.
    »Ich kann nicht sagen, daß es mir viel ausmacht.«
    Was für ein Gefühl ist das, Tom?
    »Normal ist es nicht. Zum Beispiel hört es sich komisch an, daß Sie mich immer noch Tom nennen, wo in meinem Gedächtnis mich doch alle Bill nennen. Mein Bruder, nicht wahr? Ich fühle mich nicht wie mein Bruder. Es fühlt sich an, als ob ich es selbst bin.«
    Wirklich?
    »Nein.«
    Also eigentlich nicht?
    »Ich wollte sagen, ich fühle mich nicht wie ich selbst. Das heißt, all diese Erinnerungen – sie sind einfach nicht richtig. Überhaupt nicht. Ich kenne Billy jetzt ziemlich gut, und ich weiß, wie sehr er die Vorstellung hassen würde, daß ich jetzt so viel über seine Vergangenheit weiß. Ich wußte früher nicht, daß er meine Cousine Sally gebumst hat. Bei einem Familientreffen, einfach gleich im Badezimmer. Mich ärgert diese Erinnerung, George. Denn ich hätte es nie getan. Nie im Leben wäre ich auf eine Frau so geil gewesen. Das ist nicht mein Stil.«
    Was ist denn Ihr Stil, Tom?
    »Ich weiß es nicht, verdammt. Alle Erinnerungen sagen mir, daß es mein Stil ist, aber das stimmt nicht. Es ist völlig verkehrt. Ich weiß nicht warum.«
    Und was ist mit Ihnen selbst, Tom, ich meine jetzt nicht Bills Erinnerungen.
    »Über mich weiß ich nur, wie sich Bill an mich erinnert. George, es ist mir nicht möglich, in mir selbst den stinkigen kleinen Kerl zu sehen, der weniger wert ist als Pferdemist. So war ich nicht. Aber Bill kennt mich besser als jeder andere Mensch. Das stimmt doch. Ich bin es trotzdem nicht. Herrgott, ich bin es
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