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Capitol

Capitol

Titel: Capitol
Autoren: Orson Scott Card
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erwähnen, die keines bekommen – warum die Gefühle anderer verletzen?
    Der ältere Mann nickte wieder und steckte die Hände in die Manteltaschen. »Sie sind doch das Genie, nicht wahr?« fragte er. »Der Mann, der die Maschinen gebaut hat, die hier getestet werden.«
    Sein Bild war seit Wochen in jeder Nachrichtensendung ausgestrahlt worden – der Besuch eines Mannes seiner Bedeutung und seines interplanetarischen Rufs war ein bedeutendes Ereignis, das alle lokalen Ereignisse in den Schatten stellte.
    »Ja, ich bin Garol Stipock.«
    »Dann sind Sie ein Schläfer.«
    Garol nickte abwesend. »Ja«, sagte er, »das bin ich.«
    Der Mann nahm die Hand, in der er eine Nadel hielt, aus der Tasche. Sie war offensichtlich auf voll eingestellt. Garol schlug auf den Mann ein, und deshalb riß ihm die Nadel nur den Arm auf und fügte seinem Nervensystem keinen Schaden zu. Er würde den Anschlag überleben.
    Allerdings lag er wochenlang im Hospital, bevor der Arm genügend verheilt war, daß er es verlassen konnte. Verschiedene Leute vom Projekt besuchten ihn gelegentlich, um über den Stand der Arbeiten zu berichten – bis jetzt hatten die Geräte ohne Ausnahme genau gearbeitet –, aber das erste Geschäft, dem er sich nach seiner Entlassung widmen mußte, war sein Erscheinen vor Gericht.
    Es war ein kleines privates Interview. Der Richter, die Anwälte und der Verteidiger bildeten auf bequemen, weichen Sitzen eine kleine Gruppe und richteten Fragen an Stipock und den älteren Mann.
    »Warum wollten Sie Dr. Stipock töten?« fragten sie.
    »Er ist Schläfer«, sagte der ältere Mann.
    Der Richter nickte. »Dann gehören Sie also zu den Gleichmachern?«
    Der ältere Mann lachte höhnisch.
    »Heute bin ich Abschaffer, auch wenn ich früher Gleichmacher war!«
    Stipock suchte den Blick des Richters. Der Richter erklärte. »Die Gleichmacher wollen die Verteilung nach Verdienst abbauen und allen Somec zur Verfügung stellen. Die Abschaffer wollen ganz einfach jeden töten, der Somec benutzt.«
    »Nein!« sagte der ältere Mann, und sein Gesicht funkelte vor Wut. »Nein!«
    »Wen wollen Sie dann töten?« fragte Stipock. »Und warum mich?«
    Die Augen des älteren Mannes wurden schmal. »Ich will niemanden töten.«
    Stipock lächelte, obwohl es in seinem Arm plötzlich klopfte, wie um ihn daran zu erinnern, wie nahe er dem Tod von den Händen dieses Mannes gewesen war. »Sie wollen ihnen also nur die Arme abreißen?«
    »Ich töte wo ich muß.«
    »Ich war für Sie keine Bedrohung, Sir.« Stipock lächelte nicht mehr. Er erkannte etwas in den Augen des Mannes. »Warum mußten Sie mich den töten?«
    »Der Feind heißt Somec.«
    »Aber ich verfüge nicht über Somec. Ich benutze es nur. Wie Millionen andere.«
    »Millionen andere!« sagte der Mann verächtlich. »In einem Universum von Billionen entscheiden sie, wer die Ewigkeit verdient, und wir anderen verdienen, wie die Würmer zu sterben!«
    »Das System stammt nicht von mir«, sagte Stipock lahm.
    »Doch«, sagte der ältere Mann. »Sie erhalten es am Leben. Sie. Ganz allein. Und solange es Sie und Leute Ihres Schlages gibt, wird es am Leben bleiben !«
    Erstaunt sah Stipock die übrigen Anwesenden an. Der Ankläger lehnte sich zu ihm hinüber und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Erwarten Sie nicht, daß diese Leute vernünftig reden. Sie sind einfach Fanatiker. Es ist wie eine Religion.«
    Das Wort Religion weckte Erinnerungen, und Stipock drehte sich wieder zu dem alten Mann um. Jetzt erinnerte er sich an diese Augen, diesen Gesichtsausdruck: Es waren Amblicks Augen, sein ernster Blick.
    »Der Mann ist nicht verrückt«, sagte Stipock. »Er glaubt nur an etwas.«
    Der ältere Mann nickte. »Das stimmt. Es ist die Wahrheit. Ich wußte, daß Sie es erkennen würden. Selbst Lügner wissen, daß es wahr ist, aber Sie sind kein Lügner. Sie sind ein Mann von wahrer Größe«, sagte er.
    Der Richter war erbost. »Warum in aller Welt haben Sie dann versucht, ihn umzubringen?«
    »Weil«, sagte der alte Mann ungeduldig, als ob der andere es schon hätte wissen müssen, »solange große Männer Somec nehmen, jeder auf das System der Verteilung nach Verdienst hinweisen und sagen kann: ›Ein solcher Mann ist der Beweis dafür, daß wir Somec brauchen – er beweist, daß die Verteilung nach Verdienst die großen Männer ewig leben läßt.‹ Während die meisten Somec-Benutzer käufliche und machthungrige kleine Halunken sind wie Sie.« Und er starrte dem Richter in
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