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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration
Autoren: Thomas M. Disch
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wichtigste Potential einer Nation, und den Erziehungsprozeß kann man als eine Maximierung der Intelligenz betrachten. Als solche ist er aber fast immer ein Fehlschlag, da dieser primäre Zweck zumeist der Anpassung an die Gesellschaft geopfert wird. Gelingt es aber, die Intelligenz tatsächlich zu maximieren, so geschieht das auf Kosten der gesellschaftlichen Anpassung - Sie selbst sind ein Beispiel dafür. Das bedeutet, daß damit vom Standpunkt der Gesellschaft aus wenig erreicht wird. Ein grausames Dilemma. Vielleicht ist es die Hauptaufgabe der Psychologie, dieses Dilemma zu lösen, indem sie die Intelligenz maximiert, ohne ihre soziale Utilität zu reduzieren.«
    »Selbst Cicero sprach kein so reines Latein.«
    Die Busk runzelte die gewölbten, ungefärbten Brauen. Sie verstand meine ironische Bemerkung nicht und hielt sie offenbar für das übliche Geschwätz eines Nonkonformisten.
    »Deshalb experimentieren wir hier mit neuen Erziehungstechniken, und zwar auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung. Im Erwachsenen ist der Sozialisierungsprozeß abgeschlossen. Nur wenige lassen nach dem fünfundzwanzigsten Lebensjahr eine ausgeprägte Charakterentwicklung erkennen. Wenn man also in diesem Alter mit der Intelligenzmaximierung beginnen kann, das heißt, wenn es gelingt, die nachlassenden schöpferischen Kräfte gewissermaßen zu reaktivieren, dann hat man die Möglichkeit, jenes wertvollste Potential, den Geist, auszubeuten wie nie zuvor. Leider hat man uns Arbeitsmaterial geliefert, das ich als mangelhaft bezeichnen muß. Wenn man auf Versuchspersonen aus Militärgefängnissen angewiesen ist, führt man systematisch Fehlerquellen in das Experiment ein, denn bei diesen Leuten hat es mit der gesellschaftlichen Anpassung ganz offensichtlich nicht geklappt. Und um ehrlich zu sein - meiner Meinung nach hat sich das bereits ungünstig auf unsere Arbeit ausgewirkt. Ich hoffe, Sie vermerken das in Ihrem Tagebuch.«
    Ich nickte. Und obwohl ich ihr nicht verraten wollte, wie sehr sie meine Neugier angestachelt hatte, konnte ich mir eine Frage nicht verkneifen:
    »Wenn Sie von neuen Lernprozessen sprechen, meinen Sie dann die Verwendung von Drogen?«
    »Aha! Sie haben also über die Sache nachgedacht. Ja natürlich, Drogen. Wenn auch nicht in dem Sinn, wie Sie es vermuten. Wie heute jeder Student im ersten Semester weiß, können unter Umgehung der Gesetze Drogen beschafft werden, die das Erinnerungsvermögen vorübergehend bis zu zweihundert Prozent steigern, beziehungsweise den Lernprozeß entsprechend beschleunigen. Aber bei fortgesetzter Verwendung solcher Drogen wird die Lernkurve zunehmend flacher, so daß man immer unbefriedigendere Ergebnisse und schließlich überhaupt keine mehr erhält. Einige dieser Drogen erzeugen, wie etwa auch LSD, ein berauschendes Gefühl der Allwissenheit. Aber über diese Drogen brauche ich Ihnen ja nichts zu erzählen, Mr. Sacchetti.«
    »Hat man auch das herausgefunden? Sie sind wirklich sehr gründlich.«
    »Es gibt kaum etwas, was wir nicht über Sie wissen, Sir. Bevor Sie hierher gebracht wurden, haben wir jede noch so kleine, noch so schmutzige Ritze ihrer Vergangenheit durchleuchtet, das dürfen Sie mir glauben. Wir können hier nicht jeden Kriegsdienstverweigerer gebrauchen. Wir mußten uns vergewissern, daß Sie harmlos sind. Wir kennen Sie aus- und inwendig. Die Schulen, die Sie besucht haben, Ihre Verwandten und Freunde. Wir wissen, was Sie gelesen und an welchen Orten Sie sich aufgehalten haben. Wir wissen, welche Hotelzimmer Sie in der Schweiz und in Deutschland bewohnt haben, als sie das Fulbright-Stipendium hatten. Wir wissen über alle Mädchen Bescheid, mit denen Sie während des Studiums in Bard und später befreundet waren, und wir wissen, wie weit sie bei jeder einzelnen gegangen sind. Und ich muß sagen, daß unser Eindruck nicht gerade gut war. Wir wissen ziemlich genau, wieviel Sie während der letzten fünfzehn Jahre verdient und wofür Sie Ihr Geld ausgegeben haben. Die Regierung kann Sie jederzeit wegen Steuerhinterziehung nach Springfield zurückschicken. Und außerdem haben wir die Unterlagen über Ihre zweijährige psychotherapeutische Behandlung.«
    »Und in die Beichtstühle haben Sie Mikrofone eingebaut, was?«
    »Erst in Springfield. Daher wissen wir, daß Ihre Frau das Kind abgetrieben hat und daß Sie jene häßliche kleine Affäre mit Miß Webb hatten.«
    »Ein hübsches Mädchen, was?«
    »Wenn man etwas für schwächliche Typen übrig hat. Um zum
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