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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration
Autoren: Thomas M. Disch
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großes Fiasko gehalten hatte. Wo damals Haast und Mordecai gesessen hatten, saßen jetzt Emsig und ich. Benommen und zugleich erleichtert darüber, daß ich nicht mehr fähig war, logisch zu denken, ließ ich mich anschnallen. Als die Drähte befestigt wurden, muß mir, wenn auch vage, bewußt geworden sein, was sich ereignen würde und daß ich die Verantwortung dafür zu tragen hätte. Ich weiß noch, daß ich das Bewußtsein verlor, als der Strom eingeschaltet wurde. Dann öffnete ich die Augen und sah ...
    Schon das war ein Wunder: Ich sah!
    ... meinen eigenen Körper, ein Bündel Krankheit und verrottetes Fleisch, fast schon tot. Dieser Körper zuckte; die Augen öffneten sich - und konnten nicht sehen; die Hände tasteten nach dem Gesicht; das Gesicht schrie.
    Fast hingerissen betrachtete ich den Körper, der jetzt mir gehörte. Darf ich ihn meinen Körper nennen? Oder gehört das meiste davon noch immer Emsig?

    96.
    Weitere Enthüllungen:
    Mordecai hat mir erzählt, daß er und die anderen Gefangenen während der ersten Monate im Lager A. einen Code entwickelt haben, mit dessen Hilfe sie sich verständigen konnten, ohne Verdacht zu erregen. Ihr ganzes ›alchimistisches‹ Geschwafel war eine Geheimsprache, komplizierter als ägyptische Kryptogramme und zusätzlich verschleiert durch ständige Improvisationen, die nichts anderes bewirken sollten, als die Computer des Sicherheitsamtes noch mehr zu verwirren. Sobald sie diese Sprache entwickelt hatten, stellten die Gefangenen weitere Forschungen an, wobei sich jenes Gebiet als das aussichtsreichste erwies, das auch Schipansky und seine Kollegen kürzlich bei unserer verzweifelten Gedankenakrobatik gestreift hatten: die mechanische Aufzeichnung und Speicherung von Gehirnwellen, basierend auf Frawleys Experimenten in Cambridge. Wir waren bei der Diskussion über die Folgerung gestolpert, daß für die Reaktivierung der gespeicherten Gehirnwellen ein anderer menschlicher Körper am besten geeignet wäre.
    Mordecai und seine Leidensgenossen gelangten ebenfalls zu dieser Erkenntnis. Sie zogen daraus den Schluß, daß sie ihren Zweck nur mit Hilfe einer Apparatur erreichen würden, die Aufzeichnung und Playback in einem einzigen Arbeitsgang bewältigen konnte. Sie mußten also einen Intelligenz-Reziprokator konstruieren. Daß sie trotz der äußerst geringen Möglichkeit zu Experimenten und trotz der Notwendigkeit, ständig die Fiktion vom ›Magnum Opus‹ aufrechtzuerhalten, dazu fähig waren; daß die raffinierte Konstruktion sogar den Elektronikexperten, die die Apparate kontrollieren mußten, harmlos erschien; daß es den Gefangenen gelang, bereits beim ersten Versuch einen vollen Erfolg zu erzielen - das ist für mich der bisher erstaunlichste Beweis für die ungeheure Wirkung des Pallidins.
    (Eine ironische Pointe möchte ich nicht verschweigen: Den Schaltplan für den wichtigsten Teil des Reziprokators hatte ich damals vor mir, als ich die Zeichnung entdeckte, die, dem Rezept Poes entsprechend, inmitten des Durcheinanders auf Mordecais Schreibtisch in George Wagners Ausgabenkonto versteckt war: das Bild eines Königs und eines mit Männerköpfen dekorierten, rankenartigen Gatters.)

    97.
    Letzte Enthüllungen:
    Es war ein glücklicher Zufall, daß Haasts Intellekt in dem Augenblick, als er sich in Mordecais todkrankem Körper wiederfand, sich in panischem Entsetzen aufbäumte und daß dieser Schock zu einer Embolie führte. Mordecai behauptet, der Gedanke, ein Neger zu sein, habe Haast den Todesstoß versetzt.
    Kaum vorstellbar, daß ich mich monatelang mit einem Menschen unterhalten habe, der gar nicht mehr existierte. In der Rückschau wird mir klar, daß ich aus vielen Veränderungen, die mir an Haasts Verhalten auffielen, die Wahrheit hätte ablesen können. Im großen und ganzen jedoch spielte Mordecai seine Rolle unerhört gut.
    Warum aber spielte er diese Rolle? Er hat mir erklärt, daß der große Plan nur ganz allmählich verwirklicht werden konnte und daß er sich dazu der Autorität Haasts bedienen mußte, die er natürlich nur ausüben konnte, wenn er sich nach außen hin wie Haast benahm. Er war also noch als Kerkermeister ein Gefangener!
    Nach und nach unterzogen sich auch die anderen Gefangenen (der Bischof, Sandeman usw.) dem Experiment, um das Lagerpersonal zu unterwandern, wobei sie entweder medizinische Angestellte oder Wärter als ›Ersatzkörper‹ benutzten. Eine der erstaunlichsten Auswirkungen meiner Anwesenheit im Lager Archimedes
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