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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition)
Autoren: Susann Julieva
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einfach.
    Maxim sah ihm nach, wie er nonchalant den Hotelgang hinunterspazierte, und sein Herz blutete. Er hatte das sichere Gefühl, dass er soeben den grö ßten Fehler seines Lebens begangen hatte, einen wahnwitzigen Vorschlag abzulehnen, der ohnehin nicht in die Tat umzusetzen war. Er hasste sich dafür, dass Monroe noch immer eine solche Wirkung auf ihn hatte. Dass er alles durcheinander zu bringen vermochte, was er sich so sorgsam aufgebaut hatte. Die alten Gefühle stiegen übermächtig in ihm auf und er kämpfte sie eisern nieder. Er schlug halbherzig nach der surrenden Stubenfliege, die um ihn herumzuschwirren begonnen hatte. „Na los, raus mit dir.“ Endlich fand das Insekt seinen Weg zur weit offenen Zimmertür hinaus. Maxim schloss sie sofort und lehnte sich dann dagegen. Das Holz war kühl. Er fühlte eine Leere in sich, wie er sie nicht mehr empfunden hatte, seit Monroe damals vom Café der Nacht fortgegangen war. Nun hatte er ihn zum zweiten Mal verlassen, und diesmal war es seine eigene Schuld. Doch anders als damals hatte er die Gewissheit, dass ihre Geschichte damit endgültig zu Ende war. Es würde keine Fortsetzung geben. Es gab keinen richtigen Zeitpunkt für sie. Das hatte er Monroe ins Gesicht gesagt, getrieben von altem Zorn und verletztem Stolz. Doch hatte er es auch wirklich so gemeint?
    Allmählich erst wurde ihm klar, was Monroe ihm da gerade offenbart hatte. Er hatte ihn nicht vergessen. Er hatte sein Leben, seinen Werdegang aus der Ferne verfolgt. Weshalb nur? Weshalb nur immer dieser Sicherheitsabstand? Und nun dieser Vorschlag aus heiterem Himmel. Warum war er damit ausgerechnet zu ihm gekommen? Hatte er es schon bei anderen versucht? Fragen und Zweifel nagten an ihm, beruhigende Zweifel, denn sie halfen ihm, zu glauben, dass er das Richtige getan hatte . Doch Monroe behielt recht. Maxim wünschte sich an jedem Tag nach diesem, er hätte Monroe niemals mehr wieder gesehen. Besonders nachdem die zwanzig Uhr Nachrichten berichtet hatten, dass er tot war.
     
    * * *
     
    Sidonie hatte Maxim am Folgetag zum Grab begleitet. Maxim wollte es noch einmal besuchen, bevor er zurück nach München fuhr. Unter den hohen Waldbäumen war es bereits am späten Vormittag seltsam dunkel, als sie still nebeneinanderstanden, jeder in seine Gedanken versunken. Von den Zweigen fiel gelegentlich tauender Schnee. Maxims Augen brannten, als ihm klar wurde, dass er hier war, um sich endlich wirklich zu verabschieden. Es tut mir leid, Monroe. Maxim hoffte innig, dass das, was er zu sagen hatte, ihn irgendwie, irgendwo erreichen möge. Seine große Liebe, die er verkannt und aus dummen, kleinlichen Ängsten abgewiesen und für immer verloren hatte. Ich habe dich nie wirklich verstanden, bis heute. Und nun ist es zu spät, viel zu spät. Er schloss die Augen. Es tut mir leid, dass ich nicht begriffen habe, dass ich dir wirklich etwas bedeutete. Dass ich dir alles bedeutete.
    „Ich werde von hier weggehen“, brach Sidonie leise die Stille, nicht ahnend, dass sie damit dieselben Worte sprach, wie einst ihr Halbbruder. „Ich will das schon so lange tun. Ich habe mich nur noch nicht getraut, es Vater zu sagen. Ich will nicht in diesem Kaff versauern und mich nur damit beschäftigen, unsere Ländereien zu verwalten. Ich habe schließlich das Recht auf mein eigenes Leben, meine eigenen Träume, oder nicht?“
    „Und ob du das hast, Sidonie.“ Maxim lächelte sie an. In diesem Moment fasste er den Entschluss. Es war plötzlich so klar, so leicht, dass er sich fragte, wie er überhaupt so lange hatte zögern können. Da kam ihm ein Gedanke. „Warte.“ Er zog sein Portemonnaie aus der Innentasche seines Jacketts hervor. Sidonie sah zu, wie er die Fächer durchsah und schließlich etwas hervorzog. Es war eine Art Visitenkarte, abgegriffen, faltig und alt. Er reichte sie ihr. „Ich wusste nie genau, weshalb ich sie überhaupt aufgehoben habe. Sie wurde wohl so etwas wie ein Talisman.“
    „Dela“, las Sidonie ab und runzelte die Stirn. „Weshalb gibst du mir Delas Telefonnummer?“
    „Oh, es ist viel mehr als das.“
    „Ist es?“
    „Es ist so etwas wie eine Eintrittskarte. Es ist Tradition, sie weiterzugeben.“
    „Eine Eintrittskarte wofür?“
    „Für ein neues Leben.“ Er lächelte, als er ihre großen Augen sah. „Sollte es dich zufällig nach München verschlagen, Sidonie, dann findest du mich unter dieser Adresse.“
    „Moment mal, Sterntalergasse 7, dort war doch ...“
    „... das Café der
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