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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide
Autoren: Cueni Claude
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daß der Eiter ihm das Blut vergiftet habe. Meine Mutter habe ich auch nicht gekannt. Sie ist bei der Geburt gestorben. Das war ein Schicksal, das uns Kelten nicht schwer berührte, denn der Tod ist für uns lediglich ein Übergang ins nächste Leben. Deshalb ertragen wir auch die Scherze der Götter besser als andere Völker, denn wir wissen von der Wanderung der Seele, und somit ist ein schwieriges Leben nicht mehr als ein schwieriger Tag. Daher gibt es für uns auch keinen Grund, Behinderte zu ersäufen, und für Behinderte keinen Grund, sich selber zu ersäufen. In meinem Fall wäre das ohnehin aussichtslos gewesen. Denn ich bin ein ausgezeichneter Schwimmer, weshalb es schwierig für mich wäre, mich selbst zu ersäufen. Aber wie auch immer: Ich war damals siebzehn Jahre alt und sprühte nur so vor Lebensfreude und Energie. Daß ich ohne Eltern aufwuchs, habe ich nie als ungerecht empfunden, denn das kam häufig vor, und kein Kelte mußte deshalb einsam sein; durch Tod und Krankheit dezimierte Familien bildeten neue Großfamilien, und so lebte ich zusammen mit Onkel Celtillus und neunundzwanzig anderen Verwandten in einem einzigen Langhaus. War das Leben nicht wunderbar?
    »Jaja«, murmelte Onkel Celtillus, »du bist jung, Korisios, aber was tust du, wenn dir Ariovist gegenübersteht?«
    »Ich werde ihn zum Lachen bringen«, antwortete ich keck.
    Celtillus schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr sich ratlos über den buschigen Schnauzbart. Meiner war auch schon stattlich, aber er war leider noch nicht so borstig und buschig wie der von Celtillus. Aber vermutlich hatten die Druiden auch dafür irgendeine widerlich riechende Tinktur entwickelt. Es sollte mir recht sein, solange sie nicht mit Garum vermischt wurde.
    »Korisios, ich spüre, daß die Kraft in meinen Armen nachläßt. Der Weg, der noch vor mir liegt, ist kurz. Ich werde den Atlanticus nicht mehr sehen. Und mein letzter Gedanke gilt dir, Korisios. Was soll aus dir werden?«
    »Onkel«, sagte ich mit gespielter Empörung, »deine Mutlosigkeit grenzt an Götterlästerung. Entweder werde ich eines Tages im Carnuten-Wald zum Druiden erkoren, oder ich werde bis dahin in Massilia mein Handelshaus errichtet haben und alles, was die Römer herstellen, erfolgreich nachbauen und in ganz Gallien verkaufen. Ich werde die Römer ruinieren.«
    Das mag übertrieben klingen, aber das mit dem Handelshaus war mir durchaus ernst. Es gab mittlerweile immer häufiger Tage, an denen ich die Laufbahn des Händlers dem Druidenberuf vorzog. Ich war wirklich unschlüssig. Ich wollte Ruhm und Ehre. Ob allerdings als Druide oder als Händler, das wußte ich noch nicht so genau.
    Celtillus nickte. Er war alt geworden. Er war mittlerweile der Älteste in unserer Gemeinschaft. Schon weit über fünfzig. Seit er vor zehn Jahren wieder zu uns zurückgekehrt war, fühlte er sich für mich verantwortlich. Schließlich gehörten wir der gleichen Sippe an. Meinetwegen hatte er letztes Jahr die junge germanische Sklavin Wanda gekauft. Sie sollte ihn eines Tages ersetzen, wenn er ins nächste Leben überging. Aber ich brauchte keine Krücke aus Fleisch und Blut. Ich brauchte keine Sklavin. Und schon gar nicht Wanda. Sie war zwar für mich inzwischen wie eine Schwester, aber eben wie eine Schwester, die man am liebsten im Moor versenken möchte.
    »Korisios«, murmelte Celtillus, »wenn ich nachts wach liege und über dies und jenes nachdenke, dann denke ich manchmal: Du magst recht haben, die Götter haben etwas Besonderes mit dir vor. Das alles muß seine Gründe haben.«
    »Mindestens drei«, grinste ich.
    Jetzt lachte auch Onkel Celtillus, so breit, daß man sogar die vier vom groben Korn abgeschliffenen Zähne sehen konnte, die ihm die Götter noch gelassen hatten. »Wer weiß, Korisios, dein Glaube an deinen Erfolg ist so unerschütterlich, daß ich mich langsam frage …«
    »Was ist denn das Schlimmste, was mir passieren kann?« lachte ich.
    Onkel Celtillus schaute mich überrascht an.
    »Was ist schlimmer, Onkel? Daß mir Ariovist das Herz rausschneidet oder daß mich die Römer ans Kreuz nageln? Was es auch sei, es ist schnell vorbei, dann fahre ich mit dem Fährmann in mein neues Leben.«
    Celtillus schien erleichtert. Ich hatte ihm Mut gemacht, dabei war mir im Augenblick gar nicht mehr so zumute, denn daß einer wie Celtillus sich Sorgen machte, beunruhigte mich nun doch etwas. Andererseits trank Onkel Celtillus seit Jahren einfach zuviel. Das Trinken steigert zwar den Mut,
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