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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide
Autoren: Cueni Claude
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zu haben. Er fand immer die richtigen Worte, um mir unaufdringlich den Weg zu neuen Einsichten zu weisen. Und im nachhinein hatte ich stets den Eindruck, ich sei von selbst darauf gekommen. Dann war ich stolz auf mich und fühlte mich gut. So wünschte ich mir sehnlichst, daß er mir heute mitteilen würde, er würde mich im nächsten Jahr auf die Insel Mona mitnehmen. Dort befand sich das große Druidenzentrum der Kelten, die einzige Druidenschule überhaupt, verborgen in einem dunklen Wald. Nur auserwählte Schüler wurden dorthin mitgenommen.
    Santonix hob stumm die Hand und suchte den Himmel nach Zeichen ab. Seine beiden Begleiter senkten den Kopf und murmelten heilige Verse. Ihre schweren Roben waren mit farbigen Kordeln geschnürt. Das bedeutete, daß sie noch in der Ausbildung waren. Die Art und Weise, wie sie jetzt den Kopf hoben und den Umstehenden furchtlos in die Augen schauten, entlarvte sie als Söhne von Adligen, die ihren Status ihrer Geburt und nicht ihrer Leistung oder ihrem Können verdankten. Möglicherweise stand mir heute ein massiver Rückschlag bevor. Die beiden stolzen Pfauen in ihren Roben würden mir allemal vorgezogen werden. Ich hätte Santonix gerne darauf angesprochen, aber das wäre sehr unhöflich gewesen. Etwas auf den Punkt zu bringen ist nicht Sache der Kelten. Wir brauchen die Sprache zur Verständigung nicht. Nur zum Streiten. Abgesehen davon hätte ich heute ziemlich Mühe gehabt, Santonix zu sprechen. Alle drängten nach vorn und bestürmten ihn mit Fragen. Ich wurde von allen Seiten angerempelt, gestoßen, gehalten, geschubst, und wenn ich mich nicht an der jungen Sklavin Wanda hätte festhalten können, wäre ich bestimmt gestürzt. Denn ich hatte ein Problem mit meinen Beinen.
    »Druide! Drängt Ariovist in den Süden?«
    Heute wünschte man sich nicht Rechtsprechung in irgendeinem nachbarlichen Streit und auch keine Kräutermischung gegen blutigen Husten, nein, heute betrafen alle Fragen Ariovist, den germanischen Suebenführer, den die einen Fürst oder Herzog, die andern König nannten. Die Antwort sollten alle gemeinsam erhalten.
    »Druide! Was bedeutet der Rauch über Arialbinnum?«
    Die Leute auf unserem Hof waren sichtlich nervös. Jetzt, wo wir uns entschlossen hatten, den südwärts drängenden Germanen zu weichen und uns dem Zug der keltischen Helvetier an die atlantische Küste anzuschließen, wollten wir nicht noch in sinnlose Kämpfe verwickelt werden. Wir waren ja bereit, das Land zu räumen.
    Santonix gab Postulus, unserem Dorfältesten, die Milchschale zurück und hob den Arm. Stille. Demütig senkten wir unsere Köpfe, als wollten wir vermeiden, den Druiden in die Augen zu sehen. Wenn sie eine Ansprache hielten, sprachen durch sie die Götter. Irgendwie war unser stürmischer Empfang eines Druiden unwürdig gewesen. Santonix stieg auf den erhöhten Fußboden des Getreidespeichers, der stets zum Schutz vor Ratten und Mäusen vier Fuß über der Erde eingezogen wurde, und begann mit lauter, sonorer Stimme eindringlich zu sprechen:
    »Rauriker! Im Konsulatsjahr des Marcus Messala und Marcus Piso haben die keltischen Helvetier beschlossen, ihr Land zu verlassen und ins fruchtbare Land der Santonen an die atlantische Küste zu ziehen. Ihr, das Volk der keltischen Rauriker, habt euch entschlossen, es den keltischen Helvetiern gleichzutun und euch ihnen anzuschließen. So wie sich auch die keltischen Stämme der Tiguriner, der Latobriger und der Bojer den Helvetiern angeschlossen haben. Denn wir alle sind Kelten und opfern denselben Göttern. Unsere Vorratsgruben und Speicher sind voll. Jeder ausreisewillige Kelte hat genügend Mehl für drei Monate. Die Götter haben uns deshalb ein Zeichen gegeben, uns Ende März am Ufer des Rhodanus mit den anderen ausreisewilligen keltischen Stämmen zu vereinen. Von dort aus wird uns der große und ruhmreiche Fürst Divico an die atlantische Küste führen. Wir werden durch das Land der keltischen Allobroger ziehen, ohne Verwüstungen anzurichten. Das Stammesgebiet der Allobroger ist heute römische Provinz. Die Römer werden uns aber nicht daran hindern, ihre Provinz zu durchqueren, denn sie wissen, daß wir genügend Nahrungsmittel und den Atlanticus zum Ziel haben. Wir werden Gold und Geiseln stellen, um unsere friedlichen Absichten zu bekräftigen.«
    Santonix hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort: »Heute früh hat Ariovist mit seinen Reitern das Oppidum der tapferen Rauriker in Brand gesteckt. Wartet deshalb
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