Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR2614-Navigator Quistus

PR2614-Navigator Quistus

Titel: PR2614-Navigator Quistus
Autoren: Christian Montillon
Vom Netzwerk:
Aus der Historie des Navigators (1)
     
    Dorthin gehen, wo andere nur den Tod sehen.
    Abgründe durchfliegen, die tausendfaches Verderben bringen.
    In einem Hyperschlund manövrieren, der Dutzende Schiffe zermalmt.
    Für den Navigator ist all das nichts Ungewöhnliches. Er spürt den Kosmos, findet den Weg durch die gefährlichsten Viibad-Riffe und die zerstörerischsten höherdimensionalen Stürme.
    Soeben gleitet er an einer Raum-Zeit-Verwerfung entlang und entdeckt die Schnur, die zurück in sichere Gefilde führt, den Weg in den normalen Raum. Wie Perlen reihen sich ruhige Zonen in dem aufgewirbelten All; obwohl sie umherspringen, bleiben sie miteinander verbunden.
    Navigator Quistus sieht viel mehr als der Kommandant des quaderförmigen Schiffes, das offenbar in dieser Umgebung gefangensitzt. Er fühlt alles Nötige und empfindet den richtigen Pfad tief in seinem Inneren.
    Die Melodien des Weltraums finden Resonanz in seiner Seele, seinem Geist. Sein Bewusstsein greift hinaus ins All, und eine paranormale Ebene seines Verstandes frohlockt, wenn sie erkennt.
    Quistus analysiert instinktiv, was im hyperphysikalischen Bereich um ihn vor sich geht; sein erstaunliches Verständnis für mathematische Vorgänge verhilft ihm zu den nötigen Daten. Eine Positronik wie jene des gefangenen Schiffes vermag all das zumindest ansatzweise zu berechnen, doch der Navigator empfindet es, was unendlich viel kostbarer und effektiver ist.
    Es ist der Unterschied zwischen Kälte und Wärme, zwischen Tod und Leben, zwischen Dürre und blühender Vegetation.
    Quistus bewegt einen Tentakel, treibt in den Gasen der Schiffsatmosphäre ein wenig höher, der geschwungenen Decke entgegen. So nimmt er einen anderen Blickwinkel zu dem Holo ein, das ihm seine kosmische Umgebung zeigt.
    Er sieht keine Bilder, wie andere sie wahrnähmen, sondern Zahlen und Formeln, die sich gegenseitig durchdringen und herabrieseln wie verflüssigter Stickstoff in einen schillernden See. Sie umschwirren einander, verschmelzen und ranken wieder empor.
    Grün, blau, rot und in allen Farben des im Prisma gebrochenen Lichtes explodieren die Daten im Verstand des Navigators. Seine vier Augen schließen sich, er benötigt sie nicht, um hinauszublicken in die Ferne.
    Seine Parasinne graben sich durch diese scheinbar völlig chaotische Region des Weltalls und finden das Muster, das eine Orientierung ermöglicht. Sie erkennen die aussichtslose Lage des gefangenen Raumschiffes und seiner Besatzung.
    Den Fremden droht keine unmittelbare Zerstörung, aber sie sitzen fest und werden diesen Ort nie mehr verlassen können. Sie treiben in einer endlosen Schleife: stetig voran und durch eine Raumkrümmung immer wieder zurück an ihren Ausgangsort.
    Die Maschinen der gefangenen Einheit arbeiten, die Triebwerke laufen und bringen die Masse des Schiffes stets aufs Neue in den ausweglosen Kreislauf. Wer weiß, wie lange noch?
    Quistus beschließt, den Fremden zu helfen. Es gibt nichts, was ihn abhielte. Er ist frei in seinen Entscheidungen, und womöglich stellt die Mannschaft dieses Raumers einen der Gründe dar, warum er seine Heimat Iothon verlassen hat und auf Reisen ging.
    Wer vermag das schon zu sagen? Wer kann beurteilen, ob es ein Schicksal und eine Vorherbestimmung gibt?
    Also steuert der Navigator zurück und findet eine Möglichkeit, sich zumindest von außen in die Systeme des fremden Schiffes einzuklinken und über die internen Kameras einen Blick ins Innere zu werfen.
    Auf diese Weise erkennt er, wie perfekt die Technologie des gefangenen Raumers arbeitet. Offensichtlich funktioniert sie schon sehr lange. Die Bilder zeigen ihm Skelette in zerfallenen Uniformen. Leere Augenhöhlen starren blicklos auf die ewig gleichen Stellen. Irgendwo blinkt ein seelenloses Licht.
    Eine Hyperfunkbotschaft hat die Raum-Zeit-Verwerfung nie verlassen, sondern bleibt ebenso darin gefangen wie jene, die sie einst abgesendet haben. Es handelt sich um einen simplen Hilferuf, dem eine Ziffer folgt.
    1.046.649.623.
    Zuerst versteht Quistus die Bedeutung dieser Zahl nicht, dann bemerkt er, dass sie sich bei jedem Durchlauf der Hilfebotschaft um eins erhöht.
    1.046.649.624.
    Der Navigator muss nicht lange rechnen, um die volle Konsequenz zu erfassen.
    In jeder Minute wird der Hilferuf drei Mal gesendet. Seit 5.814.720 Stunden. Seit 242.280 Tagen.
    Quistus empfindet tiefes Bedauern. Er berührt einen der Tentakelarme seiner Geliebten, um Trost zu spenden und zu empfangen.
    Ein weiterer Durchlauf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher