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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide
Autoren: Cueni Claude
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nicht, bis er euren Hof erreicht hat. Brennt bereits morgen alles nieder, was ihr nicht mitnehmen könnt. Zieht gen Süden. Wartet am Ufer des Rhodanus auf die Ankunft der anderen Stämme. Wenn morgen früh die Sonne aufgeht, müßt ihr euren Hof verlassen haben. Hier können euch selbst die Götter nicht mehr beschützen. Im Norden naht bereits Verstärkung für Ariovist. Zehntausend hungrige germanische Reiter. Aus dem Osten nahen die Daker unter ihrem König Barebista, und von Süden her breitet sich Rom wie ein bösartiger Eiterherd aus. Wollen unsere Stämme überleben, müssen sie noch diesen Sommer den Atlanticus erreichen. Die Santonen werden uns wie Brüder empfangen. Denn das fruchtbare Land, das sie uns abgetreten haben, ist bereits bezahlt. In Gold.«
    Der Druide Santonix schaute in die Runde, als wolle er die Wirkung seiner Worte prüfen. Dann fuhr er fort: »Rauriker, heute nacht werden wir hier ein letztes Mal die Mistel schneiden und die Götter um Schutz bitten. Lug beschütze uns.«
    »Lug beschütze uns«, wiederholten wir alle im Chor.
    Ich hatte eigentlich erwartet, daß alle wieder wild durcheinanderreden würden. Doch niemand rührte sich von der Stelle oder erhob die Stimme. Wir hörten nur noch das Gackern der Hühner und das Grunzen der Schweine, die nach Abfällen suchten. Ihnen war es einerlei, wer ihnen den Bauch aufschlitzte. Die Bewohner unseres Gehöfts schwiegen betreten. Bedeutungsvolle Blicke wurden gewechselt. Ein paar suchten mit skeptischem Blick den Himmel ab. Aber es gab keine Amsel, deren Flug man in irgendeiner Weise hätte deuten können. Fast lautlos wichen wir zur Seite und bildeten eine Gasse, damit die Druiden zum Langhaus konnten, das Onkel Celtillus zusammen mit mir und den Familien seiner Geschwister und Kinder bewohnte. Als die Druiden im Langhaus waren, steckten die Leute die Köpfe zusammen und tauschten vage Andeutungen aus, nickten oder lächelten stumm, als hätten sie soeben eine Eingebung der Götter erhalten. Nüchterne Kelten sind eben schwer verständlich.
    Die ersten Ochsenkarren wurden vor die Getreidegruben geschoben. Ein paar junge Reiter ritten hinaus, um die Weidetiere zu holen. Alles war seit langem bis ins kleinste vorbereitet worden. Jeder wußte, was er zu tun hatte, welche Werkzeuge auf welchen Karren kamen, welche Lasttiere womit beladen wurden, wer wofür die Verantwortung trug und in welcher Reihenfolge die Ochsenkarren unseren Hof zu verlassen hatten. Ich setzte mich nachdenklich unter die dicke Eiche, unter der ich fast meine ganze Kindheit verbracht hatte, und legte meinen Arm auf Lucia, die sich eng an mich schmiegte und seufzend die Schnauze auf ihre Vorderläufe gleiten ließ.
    Onkel Celtillus trat aus der Hütte und veranlaßte, daß man den Druiden frisches Obst und Milch brachte. Druiden aßen kein Fleisch und tranken keinen Wein. Ersteres war durchaus akzeptabel, aber letzteres war eher ein Argument, das gegen den Druidenberuf sprach und mich ein bißchen trösten würde, falls mir wegen meiner niedrigen Abstammung die Türen der Druidenschule auf der Insel Mona verschlossen blieben. Ich war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, in Massilia ein großer Händler zu werden, und dem Wunsch, als lebendiges Buch zwischen Himmel und Erde herumzustolzieren. Für Griechen und Römer wäre das kein Problem gewesen. Sie machen aus ihrem Wissen kein Geheimnis. Aber bei uns Kelten hüten die Druiden selbst den Kalender wie ihren Augapfel.
    Onkel Celtillus befahl zwei erfahrenen Reitern vorauszureiten, um die Wege auszukundschaften. Vor zwei Tagen hatte es heftig geregnet. Möglicherweise waren Flüsse über die Ufer getreten und hatten einzelne Wege in schlammige Gruben verwandelt, in denen unsere schwerbeladenen Ochsenkarren steckenbleiben würden. Mein Onkel schien sich Sorgen zu machen.
    »Celtillus?« rief ich zu ihm rüber. Er war es gar nicht mehr gewohnt, daß ich unter der alten Eiche lag. Ihre Äste waren so angeordnet, daß sie sich schützend und gleichmäßig wie ein Dach aus Flechtwerk nach allen Richtungen streckten. Ja, seit ich einigermaßen laufen konnte, war ich nur noch selten unter der Eiche.
    Celtillus kam eilig zu mir herüber und machte ein richtiges Ziegenmilchgesicht: »Korisios, der Wagen steht für dich bereit«, sagte er knapp. Und seine Augen schienen zu sagen: »Mach dir bloß keine Sorgen, wir bringen dich schon zur Küste.« Aber er sagte bloß, daß der Wagen bereitstünde, was ich unschwer selber erkennen
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