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Butter, Brot und Laeusespray

Butter, Brot und Laeusespray

Titel: Butter, Brot und Laeusespray
Autoren: Wigald Boning
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Dame, die meinen Auftritt in der ND R-Talkshow sah und mir daraufhin diese elegante Zettelschönheit zuschickte. In ihrem netten Begleitschreiben las ich, dass es sich um die Zutaten für ein Backrezept handelte und dass die von der Einsenderin höchstpersönlich verfasste Liste ein halbes Jahrhundert zwischen den Seiten eines Kochbuchs verbracht habe. Laut Duden bezeichnet die «Kirne» übrigens einen großen Kessel, in dem Margarine hergestellt wird. Nun bin ich, wenn’s um die Herstellung von Buttersubstituten geht, kein Fachmann, dennoch erlaube ich mir die Behauptung, dass das Verb «kirnen» mit dem Kessel im Zusammenhang steht. Und könnte man kein Sütterlin lesen, würde man glatt annehmen, dass da «Gift für einen fahlen Luden steht». Aber da steht natürlich: «Gruft für einen gelben Lügner». Nein, ganz im Ernst; ein mit der Entzifferung beauftragter Sütterlin-Fachmann las: «Gust für einen halben Kuchen» – wobei «Gust» wohl regionalspezifisch für Guss verwendet worden ist. So oder so: Dieser Zettel ist ein Paradeprachtstück.

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    Und dies, liebe Leserinnen und Leser, ist mein allerliebster Zettel. Ich fand ihn am 2.   März 2012 in einer Mülltonne (!) des Netto-Marktes in Marktoberdorf.
    Liebe ist, wenn sie ihm einen Einkaufszettel schreibt. Einen Zettel voller Fürsorge und Zärtlichkeit. Zunächst bittet sie ihn um eine gründliche Rasur, wobei das Doppel-s dem Ganzen eine besonders rassige Note verleiht. Wie verliebt sie ist, lässt der Neigungswechsel im Wort Katzenfutter erahnen; ihr Herz schlägt Kapriolen, zu einer einheitlichen Schriftlage ist sie in ihrem emotionalen Ausnahmezustand nicht fähig. Dann notiert sie «Hilsen». Es dürfte sich um Zigarettenhülsen handeln, wobei das «i» auf eine Dialektfärbung zurückzuführen sein könnte. Womöglich ist die Schreiberin Ostpreußin? Vor der Roten Armee zu Pferde ins Ostallgäu geflüchtet? Würde natürlich bedeuten, dass die Autorin bereits etwas älter ist. Vielleicht 100.   Diese These wird durch den folgenden Artikel gestützt: «3 × Bier mehr nicht» steht dort – Disziplin und Maßhalten liegt dieser Marion Gräfin Dönhoff der Netto-Märkte offenbar im Blut. «Pelse 2 ×» könnte, sofern Pelze gemeint sind, ein Hinweis auf alten ostelbischen Adel sein; im gestreckten Galopp auf einem Schimmel friert es sich leicht – da zieht man tunlichst zwei Pelze übereinander. Apropos Schimmel, es kann sich natürlich auch um Pilze handeln. Der Zettel – und damit dieses Buch – schließt mit einem zärtlichen Liebesbekenntnis, «Ich liebe dich für immer mein Schatz», wobei das runenhafte Kuss-Doppel-s offenlässt, ob wir Voyeure dahinschmelzen, stutzen, lachen, bedauern oder mit dem Kopf schütteln sollten. Sie, liebe Leser, haben die freie Wahl. Und falls Sie zukünftig mitsammeln wollen: Herzlich willkommen im Club und viel Spaß!

Abbildungsnachweis
    Abbildung 11: © picture-alliance, akg-images
    Abbildung 12: Ludwig van Beethoven. Eigh. Schriftstück (Einkaufszettel). Wien, um 1817. © Venator & Hanstein 2011
    Abbildung 5, 35, 61, 65, 68, 72, 75, 77, 78 sowie das Foto der Einkaufszettelwand: Wigald Boning
    Alle weiteren Fotografien im Innenteil: Bettina Herzner

Informationen zum Buch
    Wigald Boning ist bekannt für seinen Hang zu ungewöhnlichen Hobbys (Nachtsport!), seine Leidenschaft gegenüber scheinbar nebensächlichen Dingen, seine Recherchelust und Phantasie. Diesmal sind Einkaufszettel Gegenstand seiner Betrachtungen. Wann immer er einen fand – auf Supermarktparkplätzen, in Fußgängerzonen oder achtlos zurückgelassen in Einkaufswagen   –, hat er sie mitgenommen und untersucht: Welche Dinge sollen besorgt werden? Lässt die Kombination Schlüsse über die Pläne des Einkäufers zu? Wollte er verreisen, groß kochen, Maschinen konstruieren? Was sagt die Schrift über den Verfasser aus? Verblüffend, was Wigald Boning aus den auf den ersten Blick schnöde anmutenden Listen herausliest, unterhaltend, welche Hypothesen er über Herkunft, Charakter und Geschlecht des Urhebers aufstellt. Ein echtes Lesevergnügen!

Informationen zum Autor
    Wigald Boning, Comedian, Moderator, Musiker und Autor, wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, u.   a. dem Deutschen Fernsehpreis, dem Bayerischen Fernsehpreis, dem Goldenen Löwen, dem Adolf-Grimme-Preis, dem Bambi und dem Echo. Bei rororo erschienen von ihm bisher «Bekenntnisse eines Nachtsportlers», «In Rio steht ein Hofbräuhaus» und zuletzt «Die Geschichte der
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