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Butter, Brot und Laeusespray

Butter, Brot und Laeusespray

Titel: Butter, Brot und Laeusespray
Autoren: Wigald Boning
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versucht sich als Damenpistole. Wir staunen über die Diskrepanz zwischen Aggression und «Alle Köstlichkeit der Tropen», zwischen Wumme und «Blume»-nkohl. Ob Anett jetzt mitliest? Ob sie sich über meinen P R-Text freut? Darf ich ihren Zettel hier überhaupt abdrucken, ohne vorher ihre Zustimmung einzuholen? Normalerweise schon; ein herkömmlicher Einkaufszettel liegt, rein juristisch betrachtet, gewiss unterhalb der Grenzen des Urheberrechtsschutzes. Er ist kein «Werk» – zumal er ja vom Verfasser nach Gebrauch achtlos weggeworfen wird, was man getrost als einen Hinweis darauf deuten darf, dass der Schreiber seinen Wisch für nicht schutzwürdig hält. Mit diesem Zettel jedoch befinden wir uns eindeutig im Grenzbereich. Anett Blume thematisiert das Thema Gewalt gegen Mensch und Tier («Schweinebraten?»). Die Meuterei auf der «Bounty» verweist auf die Spaltung innerhalb unserer Gesellschaft: Die Reichen (Bleistift) leben im Überfluss, die Armen (blauer Kuli) müssen mit Knabberzeug und Keksen klarkommen. Die Künstlerin sieht sich selbst am Drücker; die Welt ist gleichzeitig Scheibe und Trommelrevolver. Peng. Sehr geehrte Frau Blume, falls Sie diese Zeilen lesen: Melden Sie sich bitte bei mir! Falls dieses Buch zum Bestseller wird, lade ich Sie auf einen Sonntagsbraten ein! Danke schön.

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    Auch dieser Zettel verzichtet auf Pazifismus, wenngleich er die Schusswaffe durch einen Boxhandschuh ersetzt. Dabei ist der Sportsfreund kein plumper Schläger; Radiergummis und Druckerpapier verraten seine Alphabetisierung, der Bastelleim lässt Lust am kreativen Gestalten vermuten und passt hervorragend zum graphisch tadellosen Umriss. Spontan denke ich an die geordneten Verhältnisse rot-grüner Bürgerlichkeit: Wenn denn Gewalt nottut, dann bitte im Fäustlingsgewand. Die im 18.   Jahrhundert populäre Kunstform des Scherenschnitts ist heute eher aus der Mode. Doch während sie auf Biennale und Documenta schwächelt, ist sie im Supermarkt quicklebendig.

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    Hier beißt sich die Katze in den Schwanz bzw. die Maus keinen Faden ab, bzw. jetzt schlägt’s 13 bzw. 38, bzw. ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. Entschuldigung, jetzt habe ich mich kurz von meiner schmusesüchtigen Katze ablenken lassen, geriet ins Träumen, und nu’ bin ich raus. Was wollt’ ich tippen? Wo war ich? Ach ja; die Spiegelung des Notierten im Umriss des Notizzettels. Und zwar auf höchstem Abstraktionsniveau und gleichzeitig restlos konkret. Gleichzeitig? Und ob! Das beschriebene Kissen, Breite 38   cm , sieht just genauso aus wie der Zettel. Ob die Schreiberin für alle Konsumgüter, die sie besorgen möchte, Spezialblöcke verwendet, ja anfertigen lässt? Will sie Äpfel einkaufen, notiert sie dies auf einem Rundblock mit Stiel, braucht sie Porree, notiert sie das auf einen schmalen, an der Spitze unregelmäßig gegabelten und unten mit Papierstreifen behangenen Stab, kauft sie ein Warndreieck, ist der Notizzettel   …
    Zugegeben: Vollends sicher bin ich mir nicht, ob die Schreiberin die Parallele zwischen Text und Umriss tatsächlich bemerkt hat. In der Fachsprache des Filmschnitts spricht der Cutter von der «Text-Bild-Schere», die sich dann auftut, wenn die Worte eines Sprechers, beispielsweise eines Off-Textes, sich nicht auf die Bilder beziehen; das Verständnis der Passage wird auf diese Weise zuverlässig erschwert. Auf diesem Zettel jedenfalls ist die «Text-Bild-Schere» fest geschlossen (im Gegensatz zu meiner Redewendungskette zu Beginn dieser Passagen – was das Gewissen mit dem Kissen auf diesem Zettel zu tun haben soll, ist mir selber höchst unklar   –, aber wie gesagt, ich ließ mich von meiner Katze ablenken, die es sich mittlerweile auf ihrem Lieblingskissen bequem gemacht hat und mich mit einem Blick anschaut, der kein Wässerchen trüben kann).

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    Zu den Höhepunkten im Leben eines Einkaufszettelsammlers gehört der glückliche Fund mehrerer Zettel von ein und derselben Person. Wenn ich zum Beispiel montags vormittags eine Radtour nach Marktoberdorf unternehme und gegen halb zehn den Einkaufswagenpark des Netto-Marktes absuche, stoße ich mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf die Zettel eines Herrn, deren Wiedererkennbarkeit groß ist. Dies hier ist das erste Exemplar, das ich aus einem Drahtgefährt fischte: 2 × Schokolade, Kartoffeln, Wurst S., Joghurt und: Fragezeichen. Klar, woran mich dieser Zettel erinnert: an die Samstagabendshow «Am laufenden Band», moderiert von Rudi Carrell. Die
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