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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Fall ergattert sie eine Assistentenstelle, aber ganz bestimmt nicht in Heidelberg. Leben kann sie davon auch nicht, und wenn sie schwanger wird, ist es eh aus mit ihrer akademischen Karriere. Das alles weiß sie. Trotzdem macht sie weiter.«
    »Sieht so aus, als hätte Ihre Frau gefunden, was sie gesucht hat, Herr Deininger.« Ich führte Daumen und Zeigefinger zu einem Ohrläppchen und begann es zu kneten. »Das Studium als Leidenschaft. Ich bin der Letzte, der das nachvollziehen kann, aber was wollen Sie da machen?«
    »Und ich?«, rief er verzweifelt. »Bin ich nicht ihre Leidenschaft? Wenigstens ein bisschen? Verdammt, wenn man zu zweit ist, muss man eben Kompromisse eingehen! Aber da kommt nichts von ihrer Seite, gar nichts. Ich habe immer gesagt, okay, wenn du unbedingt studieren willst, zieh es durch, nur irgendwann sind wir an der Reihe, deine Familie. Und was tut sie? Hängt nach dem Examen eine Promotion dran. Und als die so gut wie fertig ist, kommt dieser Koschak mit seiner Butenschön-Geschichte. Zack, den Abgabetermin wieder verschoben. Ich frage: wie lange, Evelyn? Sie: kommt auf das Material an. Da hatte ich genug.« Ich wollte einhaken, aber er sprach bereits weiter, überschlug sich fast beim Reden: »Und dann war die ganze Sache auch noch gefährlich! Verhandlungen mit einem dubiosen Russen, illegaler Geldtransfer, eine geheime Dokumentenübergabe   –   ich dachte, ich höre nicht recht! Außerdem, und mal ganz abgesehen von dem, was Evelyn Ihnen erzählt hat: Insgeheim hoffte sie natürlich, dass in den Unterlagen etwas Spektakuläres über den alten Butenschön steht. Als Wissenschaftlerin darf man das nicht zugeben, immer schön auf Distanz bleiben, nicht wahr? Aber ich bin ihr Mann, ich weiß, dass sie gerne Aufsehen erregt hätte. Eine Arbeit veröffentlichen, über die alle Welt redet! Herr Koller, das ist doch Wahnsinn!« Endlich hielt er erschöpft inne.
    »Und da kam Ihnen die Idee mit dem Brandanschlag?«
    »Wochenlang habe ich überlegt, wie ich Evelyn davon abhalten könnte, den Abgabetermin noch einmal zu verschieben. Ich wollte sie einschüchtern, aber nicht in Gefahr bringen. Der Brandsatz war leicht zu kontrollieren, ich wusste ja, dass es im Büro eine Sprinkleranlage gab, und wenn ihr PC mit allen wichtigen Dateien zerstört worden wäre, hätte ich auch nichts dagegen gehabt.«
    »Das hätten Sie riskiert: dass die jahrelange Arbeit Ihrer Frau umsonst gewesen wäre?«
    »So weit wäre es nicht gekommen«, wehrte er sich. Seine Stirn glänzte schweißnass. »Und überhaupt, warum fragen Sie nicht nach meiner Arbeit? Ich schufte auch schon seit Jahren, damit sich Evelyn ihr Hobby leisten kann, damit wir ein eigenes Häuschen haben, damit Kinder kommen können …«
    »Hobby? Herr Deininger, Sie nehmen Ihre Frau nicht ernst.«
    »So? Und wer nimmt mich ernst? Wen interessiert schon, dass ich von einer Filialleiterstelle im Odenwald träume? Wie ich meine Dackel vermisse, das kann sich kein Mensch vorstellen, keiner! Höchstens Ihr Kumpel aus der Kneipe. Dossenheim ist Mist, aber Heidelberg ist dreimal so schlimm. Diese überheblichen Akademiker mit ihrer super Bildung, denen ich tagtäglich in den Arsch kriechen darf und die auf mich herabsehen, weil ich mit Geld zu tun habe! Oder diese Typen aus Evelyns Institut: Keine zwei Sätze möchte ich mit denen wechseln. Gärtner saß auch schon bei uns und hat mit seinen Abenteuerurlauben geprahlt.«
    Ich schüttelte den Kopf. Was für ein trauriger, beschränkter Wicht, dieser Michael Deininger! Mit einem Horizont von Schnakenbach-West bis Schnakenbach-Ost; jeder Odenwälder Felsbrocken war beweglicher als er! Knödelchen sollte die Konsequenz ziehen und sich von ihm trennen. Bärchenspeck hin oder her.
    Er sah aus dem Fenster. »Lassen wir Evelyn nicht so lange warten, Herr Koller. Die Idee mit dem Feuer war irgendwann da, und als die in Schnakenbach sich nach meiner Frau erkundigten und ich mal wieder nicht erklären konnte, warum sie immer noch an der Uni rumhängt, reichte es mir. Ich ließ bei Dieter eine Flasche mitgehen, füllte sie mit Benzin und   …   naja, den Rest kennen Sie.«
    »Sie stellten Ihr Auto im Neuenheimer Feld ab, schlichen sich über den Klausenpfad an und denselben Weg wieder zurück.«
    Deininger rang sich ein müdes Lachen ab. »Sie glauben nicht, wie lange es dauerte, bis ich einen Stein gefunden hatte, um die Scheibe einzuwerfen! Ich wurde fast wahnsinnig. Aber es war nichts los dort hinten, tote
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