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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Ich war noch nicht von meinem Fahrrad herunter, als er bereits neben mir stand und eine Hand ausstreckte.
    »Toll«, sagte er. »Und dann mit dem Fahrrad! Das hat was.«
    Ich stieg ab, zog einen Handschuh aus und schüttelte die dargebotene Pranke. Sie war warm und weich wie der ganze Kerl. Deininger hatte ein rundes Gesicht mit kleiner Nase darin, sein kurzes braunes Haar war so nach vorne gegelt, dass man viel Kopfhaut sah. Unter seinem Mantel spannte sich ein dunkler Anzug um ein Gemütlichkeitsbäuchlein, die Krawatte saß stramm. Es gab viele Lachfältchen um die Augen, aber nichts zu lachen heute Abend.
    »Ich komme mit dem Fahrrad, weil ich kein Auto habe«, sagte ich. »Und ich habe keins, weil man in Heidelberg mit dem Fahrrad schneller unterwegs ist. Was dagegen?«
    »Nein, überhaupt nicht«, erwiderte er hastig. »Im Gegenteil, ich finde das gut. Wirklich toll. Kommen Sie mit?«
    Er führte mich zur Nordseite des Gebäudes. Ein schmales Asphaltband, der Klausenpfad, bildete die Demarkationslinie zwischen Technologie und Landwirtschaft. Jenseits dieser Grenze erstreckten sich die Handschuhsheimer Felder, Heidelbergs Frucht- und Gemüsekammer, von den Bauern wütend gegen die Besitzansprüche der wuchernden Universität verteidigt. Einige der Räume, die nach Norden blickten, waren hell erleuchtet. Zwei große Scheinwerfer waren auf das Haus gerichtet. Über den Rasen zog sich eine provisorische Absperrung, es roch nach verbranntem Kunststoff.
    »Hier ist es«, sagte Deininger und wies auf die Fensterfront im Erdgeschoss.
    Ich sah ein verwüstetes Büro. Die Decke rußig, ein verschmorter Computer auf einem triefend nassen Schreibtisch, Papiere und Unterlagen zu einem hässlich grauen Brei verschmolzen, Wasser und Schaumreste überall. Nur die Regale an den Wänden schienen nichts abbekommen zu haben. Feuerwehrleute stiefelten durch den Raum, untersuchten, begutachteten, fotografierten. Einer unterhielt sich mit einem Polizisten, der seinen Notizblock vollkritzelte. Ein weiterer machte sich an den Fenstern zu schaffen. Sie standen offen, eines von ihnen war wüst zersplittert.
    »Ein Brandanschlag?«, fragte ich.
    »Allerdings«, nickte Deininger. »Wenn ich mir vorstelle, was diesbezüglich alles hätte passieren können!«
    »Ihre Frau arbeitet hier, sagten Sie.«
    »Es ist ihr Büro. Und sie war noch im Haus, als es anfing zu brennen.« Das Licht der Scheinwerfer fiel auf sein kummervolles Gesicht. Selbst die Lachfältchen zeigten bodenwärts.
    »In diesem Büro?«
    »Nein, in einem anderen Raum. Von dem Anschlag selbst hat sie nichts mitbekommen. Erst als der Alarm losging und alle auf die Straße liefen.« Er vollführte eine raumgreifende Handbewegung. »Das Feuer brannte nur ein paar Minuten. Was Sie hier an Zerstörungen sehen, kommt von der Sprinkleranlage und dem Löschwasser. Sie hat ein wahnsinniges Glück gehabt, dass sie nicht da war, als die Brandbombe geflogen kam.«
    »Bombe?«
    »Oder was auch immer da hineingeworfen wurde.«
    Ich nickte. Etwas war durch das Fenster gesaust, als sich Frau Deininger gerade nicht in ihrem Büro befand. War vermutlich gegen den Computer geknallt und hatte den ruiniert. Die Papiere auf dem Schreibtisch waren in Flammen aufgegangen, was den Rauchmelder ausgelöst hatte. Anschließend war die Sprinkleranlage in Gang gekommen, und was die übrig gelassen hatte, wurde von der Feuerwehr gelöscht.
    »Wenn der Brandsatz von hier draußen geworfen wurde«, sagte ich, »muss der Feuerteufel gesehen haben, dass das Büro leer war. Er hatte es also nicht auf Ihre Frau abgesehen.«
    »Wieso?« Deininger machte große Augen. Und dann, nickend: »Ach so, ja. Könnte stimmen.«
    »Jedenfalls nicht auf ihr Leben. Vielleicht noch nicht einmal auf ihr Büro. Sondern auf irgendeinen dieser Räume in einem beliebigen Gebäude des Technologieparks.«
    Er starrte mich an. »Nein!«, rief er und schüttelte heftig den Kopf. »Das glaube ich nicht, Herr Koller, absolut nicht. Es geht um meine Frau, davon bin ich überzeugt, leider. Dieser Anschlag hat etwas mit ihren Forschungen zu tun, das kann ich Ihnen versichern. Sie ist da an einer«, unvermittelt senkte er die Stimme, »an einer ganz heißen Sache dran. An einer gefährlichen Sache, die einigen Leuten nicht passt, verstehen Sie?«
    »Einigen Leuten?«
    »Wichtigen Leuten. Am besten, sie erklärt es Ihnen selbst. Gehen wir rein?«
    »Einen Moment noch.« Ich schritt die Absperrung entlang und sah mich um. Der Rasen vor dem
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