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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Gebäude war kurz und dicht; hier würden sich kaum Spuren des Attentäters finden. Er war vermutlich über den Klausenpfad gekommen, von Westen her, wo ihn die Dunkelheit schützte, oder gleich aus den Feldern. Auf dem Campus war auch am Abend immer noch einiges los, aber hier, an der Grenze zum Ackerland, im Schatten wilder Brombeerhecken, konnte man sich ohne Angst vor Entdeckung herumtreiben. Nach der Tat flüchtete man auf demselben Weg, schlug sich in die Felder oder rüber zum Neckar und kehrte an irgendeinem unauffälligen Ort wieder in die Zivilisation zurück.
    »Arbeiten Sie auch hier?«, fragte ich Deininger.
    »Ich? Um Gottes willen!« Um seine Lippen spielte ein trauriges Lächeln. »Das ist nicht meine Welt. Ich bin Kundenberater bei der Sparkasse.«
    So etwas hatte mir sein piefiger Anzug schon verraten. Sparkasse. Oder Vertreter. Oder Immobilienmakler, aber nur ein ganz kleiner. Die dicken Bürogebäude im Technologiepark machte der Chef, ihm blieben die Einfamilienklitschen.
    »Da hab ich auch ein Konto«, sagte ich, solidarisch gestimmt.
    Er nickte stumm.
    Der Haupteingang des Hauses befand sich um die Ecke, an einer der Langseiten. Wir passierten das Grüppchen Gaffer, das von einem Fuß auf den anderen trat und auf sensationelle Ereignisse wartete. Deininger schritt voraus, in seinem tapsigen Gang, der mich an einen Tanzbären erinnerte. Einmal drehte er sich um, vergewisserte sich, dass ich ihm noch folgte. Sein Lächeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie besorgt er war: ein besorgtes, verschrecktes Bärchen vom Land. Aus dem Odenwald oder dem Kraichgau, sein Dialekt verriet es. In den Technologiepark Heidelberg passte er wirklich nicht, und jetzt bedrohten wichtige Leute auch noch seine Frau. Manchmal kam alles zusammen.
    Vor der Eingangstür stand ein Polizist, der uns keine Beachtung schenkte. Deininger lotste mich ins Foyer, dann links zu einer Glastür.
    »Einen Moment«, hielt ich ihn auf. »Hier arbeitet Ihre Frau?« Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, verkündete ein seitlich angebrachtes Schild. Auf einem Sockel die Büste des Institutsgründers, skeptischen Blicks.
    Er nickte.
    »In einer Abteilung der Universität?«
    »Erwähnte ich das nicht? Meine Frau ist Historikerin.«
    »Aber wir sind doch hier im Technologiepark! Was hat der mit einem historischen …?«
    »Ich weiß«, unterbrach er mich irritiert. »Das Institutsgebäude wird gerade umgebaut, deshalb hat die Uni hier Räume angemietet. Es ist bloß eine Übergangslösung.«
    »Warum sagen Sie das nicht gleich? Ich und Akademikerkreise, das passt einfach nicht zusammen. Wenn ich das vorher gewusst hätte …«
    Verblüfft sah er mich an. Jemandem wie Deininger kam natürlich nicht in den Sinn, dass auch ein Dienstleister wie ich seine Scheuklappen und Vorurteile hatte. Dabei war er selbst bei der Vorstellung, hier arbeiten zu müssen, fast in Tränen ausgebrochen.
    »Vergessen Sie es«, winkte ich ab. »Hier rein?«
    Er hielt mir die Tür auf. Sie führte auf einen schmalen Flur, den die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr mit ihrem Gerät belagerten. Deininger klopfte an eine Tür linkerhand. Keine Antwort. Er klopfte noch einmal und öffnete sie. Ein aufmunterndes Lächeln kämpfte sich auf sein speckiges Gesicht, rechts und links je ein Grübchen werfend.
    »Knödelchen«, gurrte er. »Wir wären jetzt da.«
    Die Männerstimme, die sich unwirsch jede Unterbrechung verbat, klang nicht nach Knödelchen. Nicht mal nach einem handfesten Knödel. Neugierig schaute ich über Deiningers Schulter. An einem Schreibtisch saß ein Polizist, der die gesamte Autorität seines Amtes in eine scheuchende Handbewegung legte, und ihm gegenüber eine Frau. Auch sie erinnerte eher an eine Zweimonatsdiät als an Vatis Leibgericht.
    »Entschuldigung«, trat Deininger den Rückweg an. »Ich wollte nur   …   Wo sollen wir auf dich warten, Knödelchen?«
    »In der Küche.« Zu meiner Überraschung war es tatsächlich die Frau, die antwortete. Als Gefährtin Deiningers hätte ich eher ein Hühnchen erwartet, das sich bei jeder Gelegenheit schluchzend an die mollige Brust ihres Mannes warf. Oder ein ebenso rundes, behäbiges, knödelhaftes Wesen wie er. Aber dann dieser Stecken! Man lernt nie aus. Bloß dass sie uns in die Institutsküche schickte, das passte irgendwie.
    Winkend zog Deininger die Tür wieder zu. Sobald die beiden außer Sicht waren, erstarb sein Lächeln. »Warten wir halt, bis sie fertig sind.«
    Ich
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