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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön
Autoren: Marcus Imbisweiler
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er ein Interesse haben könnte, die Ermittlungen abzuschließen. Immerhin war ich in der Panoramastraße auf Koschaks Adresse gestoßen. Das Bollwerk Butenschön erwies sich als nicht ganz so unüberwindbar wie erhofft. Wer weiß, was ich noch alles herausgefunden hätte.«
    »Das mit der Adresse, das war ich.« Deininger hielt den Kopf leicht gesenkt. »Ich ließ Frau Butenschön eine anonyme Mail zukommen. Über ihren Rechtsanwalt. Darin stand, dass Professor Gärtners Doktorandin neues Material aus Russland erwarte.«
    »Und wie reagierte Frau Butenschön?«
    »Gar nicht. Vielleicht ließ sie Nachforschungen anstellen, vielleicht auch nicht   –   keine Ahnung. Als sie keinen Kontakt zu Evelyn aufnahm und sich auch sonst nicht rührte, schickte ich eine zweite Mail mit Koschaks Namen. Wieder nichts.«
    »Klingt so, als hätten die Butenschöns aus dieser Ecke nichts zu befürchten gehabt. Nach der Devise: Reißt ihr euch nur alle Beine aus, zu finden gibt es eh nichts. Entweder weil in den verschollenen Akten nichts Belastendes über Butenschön steht oder weil er sie längst vernichtet hat.«
    »Ein Grund mehr, meine Arbeit abzuschließen«, murmelte Knödelchen.
    »Warum haben Sie das Promotionsvorhaben Ihrer Frau sabotiert, Herr Deininger?«
    Herrje, er sah mich so verzweifelt an, dass ich Mitleid bekam. Mitleid mit einem Banker in Anzug und Krawatte, so weit waren wir schon gekommen! Ich hatte große Lust, mir ein Bier zu bestellen und es auf ex zu kippen.
    »Das ist nicht so einfach«, jammerte er. »Ich weiß es selbst nicht mehr genau.«
    »Wie bitte?«, rief ich, all meine menschenfreundlichen Gefühle beiseite schiebend, in eine Ecke des Cafés, in den Verkaufsraum, hinaus auf die Straße. Die Gäste an den anderen Tischen bemerkten es und sahen zu uns herüber. »Natürlich wissen Sie es! Wenn Sie mit Ihrer Frau darüber geredet haben, werden Sie es ihr ja wohl erklärt haben.«
    »Ihr schon«, entgegnete er leise. »Bei Fremden ist es schwieriger.«
    Schade, dass die Bäckerei keinen Aufzug hatte. So ein beengter, schwankender Raum lockerte einem die Zunge. Bestimmt auch den Leuten aus Schnakenbach. Andererseits: Was gingen mich die Motive eines Michael Deininger an? Wenn er sie für sich behalten wollte, war das sein gutes Recht. Er stand ja nicht vor Gericht. Mich ärgerte bloß, dass er so ein Schwächling war, obwohl er doch in der Uniform der Starken steckte. Seriös kleiden, aber unseriös handeln   –   erbärmlich.
    »Vergessen Sie meinen Einwand«, sagte ich wegwerfend. »Kurz aufflackerndes Interesse an dem, was die Menschheit so umtreibt. War dumm. Sprechen wir von etwas anderem. Dem Wetter zum Beispiel.«
    Knödelchen erhob sich. »Ich gehe mal Zigaretten kaufen. Wenn ich nicht zurückkomme, warte ich im Auto auf dich, Michael. Machen Sie es gut, Herr Koller. Und danke für alles.« Sie warf sich den Mantel über und ging: eine kleine, unscheinbare Person ohne eine Spur von Odenwalddialekt. Attraktiv war sie nicht, und sie konnte mich nicht leiden. Aber sie war stark, viel stärker als der tapsige Bär an ihrer Seite.
    »Raucht sie auch bei Ihnen zuhause?«, fragte ich. »Oder wie haben Sie das geregelt?«
    »Wieso?« Deininger schaute verwirrt. »Das verstehe ich jetzt nicht.«
    Achselzuckend trank ich meinen Kaffee aus.
    »Okay«, meinte er kleinlaut, »ich will versuchen, es Ihnen zu erklären. Das mit Evelyn und all das. Auch wenn Sie es nicht begreifen. Bei uns in Schnakenbach gehen die Uhren eben anders als   …   als anderswo.«
    »Ach, Sie meinen, da bleibt die Frau brav zuhause und wärmt ihrem Gatten die Pantoffeln vor? Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    »Eigentlich war alles geregelt. Evelyn und ich kennen uns, seit wir Kinder sind, wir waren schon in der Schule zusammen, und dass wir irgendwann heiraten würden, stand außer Frage. So kam es dann ja auch.«
    »Nach Ihrem Junggesellenabend in Heidelberg.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich sagte ja, Sie verstehen das nicht. Ich ging zur Bank, sie machte eine Ausbildung. Alles prima, alles wie geplant. Dann kam das Problem mit den Stellen. Ich fand eine in Weinheim, sie in Buchen, eine Weltreise auseinander. Jeden Tag kurvten wir stundenlang durch den Odenwald, um uns abends wieder in der Mitte zu treffen. In Schnakenbach. Später wechselte Evelyn nach Heidelberg und nahm sich eine Wohnung. Das fand ich erst recht blöd, aber ich dachte, es ist nur für eine begrenzte Zeit.« Er rieb mit dem linken Daumen kräftig über
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