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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden
Autoren: Sigrid Neureiter
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mittelhochdeutscher Dichter würden erforderlich sein, um auch nur zu einem einigermaßen gesicherten Ergebnis zu kommen. Ohne ein kompetentes Fachkollegium wäre die Sache nicht zu bewerkstelligen. Die bis Oktober dauernden Sommerferien nahten, vor dem Herbst würde sich da nichts machen lassen.
    Dann war ihm allerdings eine Idee gekommen. Nichts sprach dagegen, die Sache mit einigen seiner Studenten durchzuziehen. Das Semesterende würde ihm da sogar entgegenkommen, denn es gab noch einige, die ihre Zensuren auf Hochglanz bringen wollten. In Aussicht zu stellen, dass die Arbeit an der Handschrift in die Benotung mit einfließen würde, stellte kein Problem dar. Im Gegenteil, das war learning by doing. Er würde ohnehin nur den Tüchtigsten seines Seminars eine Chance geben.
     
    »Blasius, du hast mich überzeugt. Ich nehme Anfang Juli ein paar Tage frei und komme nach Runkelstein.« Der Freund hatte einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen. Als ihm Arthur allerdings eröffnete, dass ihn ein Team aus »einem halben Dutzend junger Experten« zur Unterstützung begleiten werde, zeigte sich Blasius weniger begeistert. Die Sache sei noch geheim, nicht einmal das Assessorat in Bozen habe er bisher verständigt, äußerte er seine Bedenken.
    Arthur gelang es, diese zu zerstreuen. Die Zusicherung höchster Diskretion verbunden mit dem Argument, dass das Prüfungsverfahren im Team wesentlich rascher und fundierter vonstattenginge, als einer allein es schaffen könne, hatten Blasius schließlich zum Umdenken gebracht. »In dem Fall musst du selbst für eure Unterkunft sorgen. Auf meinem Ansitz in Nals, wo ich dich ursprünglich als Gast willkommen heißen wollte, habe ich leider nicht genügend Zimmer.«
     
    Der Professor versicherte ihm, er werde sich um das Quartier für sich und seine Leute kümmern. Sein Assistent Lenz Hofer, gebürtiger Bozner aus St. Magdalena und damit ortskundig, sei genau der richtige Mann für diese Aufgabe. Der hatte sich dann auch sofort erboten, mit seinem Onkel, einem angesehenen Architekten und Besitzer einer hochherrschaftlichen Villa, ja beinahe eines Schlösschens, unweit der Burg Runkelstein und nahe genug am Zentrum, Rücksprache zu halten.
    Das nun wieder hatte Arthur mit seiner Bitte nicht bezwecken wollen. Wie kam der Architekt dazu, ihm völlig Unbekannte zu beherbergen?
    »Musst dir keine Sorgen machen«, hatte Lenz nur gemeint. Sein Onkel sei viel auf Reisen und stelle die Villa großzügig Freunden und Verwandten zur Verfügung. Er Lenz habe als Lieblingsneffe sowieso einen Stein im Brett.
     
    Schließlich hatte Arthur eingewilligt. Da Blasius in sein ursprüngliches Angebot, sämtliche Spesen zu übernehmen, wohl nur den Professor, nicht aber die gesamte Gruppe eingeschlossen hatte, war die Unterbringung im Haus von Lenz’ Onkel eine willkommene Möglichkeit, die Reisekosten gering zu halten. Dass Arthur unter diesen Umständen auch Lenz Hofer einlud, ihn zu begleiten, war selbstverständlich. Wenn es der Assistent auch an einem gewissen wissenschaftlichen Eifer mangeln ließ, so war er ihm mit seinem Organisationstalent schon bei so manchen Forschungsreisen, die Arthur zu unternehmen pflegte, eine echte Stütze gewesen.
     
    Die Studenten waren dann auch schnell gefunden. Drei Freiwillige hatten sich unter jenen, die Arthur für befähigt hielt, gemeldet. Dass zu diesen auch sein Neffe Mordred Leitner gehörte, war zwar nicht ganz im Sinne des Professors gewesen, wollte er doch jedwedem Verdacht der Vetternwirtschaft von Anfang an einen Riegel vorschieben. Da aber gegen die Leistungen des Neffen grundsätzlich nichts einzuwenden war und alle anderen in Frage kommenden bereits fest mit Urlauben oder Ferienjobs verplant waren, hatte Arthur eingewilligt.
    Schließlich hatte sich auch noch seine Kollegin, die Dozentin Xenia Schmied-Schmiedhausen, erboten mitzukommen und ihre »kritische Perspektive«, wie sie es ausdrückte, einzubringen. Arthur schätzte Xenia als brillante Wissenschaftlerin, obwohl ihm ihr Ehrgeiz, mit dem sie ihre Karriere vorantrieb, zuweilen etwas übertrieben schien. Doch im Hinblick darauf, dass Blasius Botsch plante, die Handschrift, sobald deren Echtheit zweifelsfrei bestätigt war, der Öffentlichkeit zu präsentieren, konnte es auf keinen Fall schaden, eine zweite Akademikerin von Rang im Boot zu haben.
    Was Arthur auf die spontane Idee brachte, auch noch seine ehemalige Dissertantin Jenny Sommer einzuladen. Die hatte zwar der Uni, kaum dass ihr
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