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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden
Autoren: Sigrid Neureiter
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und wandte sich dem Mann zu. »Ha agito benissimo, signor Speranza. Mi ha fatto un grande favore, La ringrazio di cuore. Sie haben genau richtig gehandelt und mir einen großen Gefallen erwiesen, für den ich mich herzlich bedanke.« Ehe sich Speranza versah, hatte der Direktor ihn wieder hinauskomplimentiert und ihn mit der nachdrücklichen Bitte, dem Mann einen Grappa als Stärkung zu servieren, Francescas Obhut überlassen.
     
    Allein in seinem Büro nahm Blasius die Seiten noch einmal unter die Lupe. Dass es sich bei dem seltsamen Material nicht um Papier, sondern um Pergament handelte, darüber bestand kein Zweifel. Was aber sagte ihm der Inhalt? In Blasius begann sich ein Verdacht zu regen. Noch einmal beugte er sich über die Blätter: Etwas größer als das gängige A4-Format waren sie auf beiden Seiten engzeilig in einer Art Kursivschrift beschrieben. Immer wieder gab es Durchstreichungen, Ausbesserungen und Einfügungen. Das Eigentümlichste daran aber war die Sprache: ein kaum verständliches, sehr altertümlich klingendes Deutsch.
     
    Blasius Botsch erhob sich wieder von seinem Sessel und stellte sich auf die Zehenspitzen, so dass er jetzt aus der Vogelperspektive einen Blick auf den Schreibtisch und das darauf ausgebreitete Pergament werfen konnte. Plötzlich sprang es ihm förmlich in die Augen: Der Name, den er mit einem Mal erkennen konnte, ließ seinen Atem rascher gehen. Jetzt wusste er, was zu tun war. Entschlossen griff er zum Telefon und tippte eine Nummer in die Tastatur.

Eins
     
     
    Hört alle her, endlich habe ich meinen Landsitz!
    Nun brauche ich weder im Februar zu frieren
    Noch weiterhin knausrige Herren anzubetteln.
    Denn nun hat der großzügige König dafür gesorgt,
    dass mir im Sommer kühl und im Winter warm ist.
     
    Nach Walther von der Vogelweide »Ich hân mîn lêhen«
     
    Jenny Sommer joggte die Talfer entlang, jenes Flüsschen, das aus dem Südtiroler Sarntal kommend mitten in Bozen in den Eisack mündet. »Gut, dass ich meine Laufschuhe dabei habe«, gratulierte sie sich selbst. Diese und einen Fahrradhelm hatte sie nämlich immer im Gepäck, egal wohin sie fuhr und egal, ob sie deshalb belächelt wurde oder nicht. »Bewegung hält jung«, lautete das Motto der Absolventin des Salzburger Instituts für Germanistik und nunmehr selbstständigen Beraterin für Public Relations. In Wien, wo sie erfolgreich eine PR-Agentur betrieb, war sie Mitglied in einem exklusiven Fitnessclub. Auf Reisen dagegen vertraute sie zur Erhaltung ihrer sportlichen Figur auf Schusters Rappen und den Drahtesel. Eine Strecke zum Laufen fand man schließlich überall und wenn nicht, dann konnte man sich immer noch ein Fahrrad ausleihen.
     
    Bozen, die Hauptstadt der ›Autonomen Provinz Bozen – Südtirol‹ – so die offizielle Bezeichnung der zu Italien gehörenden Region – kannte Jenny schon von früheren Reisen. Seit sie die Talfer Promenade entdeckt hatte, gehörte die idyllische Laufstrecke die Weingärten entlang und mit herrlichem Blick auf die umliegenden Berge bei ihren Besuchen in der Provinzhauptstadt mit dem südlichen Flair zu ihrem Pflichtprogramm.
     
    Heute, an einem Sommernachmittag Anfang Juli, schien ganz Bozen hier auf den Beinen zu sein. Jogger, Radfahrer, Mütter oder Väter, die Kinderwägen vor sich herschoben – sie alle nutzten die Gelegenheit zu ein wenig Bewegung an der frischen Luft.
     
    Jenny passierte Schloss Maretsch, eine Burg, die seit dem 13. Jahrhundert wuchtig ihren Platz in der Flussebene behauptete und heute als Tagungszentrum diente. Die Kirchturmuhr der nahe gelegenen Deutschordenskommende schlug zweimal. »16.30 Uhr«, konstatierte Jenny, »da kann ich noch einen kleinen Abstecher in die Altstadt machen.«
    Auf Höhe der Talferbrücke, die das historische Zentrum mit dem Stadtteil Gries verbindet, bog Jenny nach links ab und lief auf die Fußgängerampel zu. Plötzlich hörte sie Bremsen quietschen. Augenblicklich stoppte sie mitten im Laufschritt und sprang zur Seite. Jetzt erkannte sie die Ursache des durchdringenden Kreischens: Ein Radler hatte sein Gefährt dicht vor ihr zum Stehen gebracht. Konnte der nicht aufpassen, wo er hinfuhr. Jenny sah ihn herausfordernd an.
    »Hoppla, musst du Obacht geben.« Der hatte Nerven. Bog da mit einer Affengeschwindigkeit in die Promenade ein, ohne nach links und rechts zu schauen. Jetzt gab er auch noch ihr die Schuld. Wie kam er dazu, sie einfach zu duzen? Dem würde sie’s geben.
    Sie hatte eine scharfe
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