Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten
Autoren: Michael Streck
Vom Netzwerk:
|7|
    Einleitung: Prioritäten für den Klimaschutz
    »Der Ausstoß von Treibhausgasen muss innerhalb von zehn Jahren seinen Höhepunkt erreichen und bis 2050 um 50 Prozent oder mehr abnehmen. Nur so kann die Erderwärmung auf 2 bis 2,4 Grad stabilisiert werden.«
    Vierter Statusbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), November 2007
    »Nichts ist bereits so gut, dass es nicht verbessert werden kann.«
    Henry Ford
    Klimawandel ist. Die Diskussion darüber, ob sich das Klima ändert, ist abgeschlossen. Niemand stellt das mehr in Frage. Nun geht es darum, eine dramatische Erwärmung zu verhindern und sich an die unvermeidbaren Auswirkungen anzupassen.
    Die untrüglichsten Zeichen, dass sich das Klima ändert, gab es im Jahr 2007. Claudia Schiffer sprach auf dem
Wirtschaftsforum
in Davos vom Klimawandel, als hätte sie jahrelang nicht für Designermode geworben, sondern Eiskernbohrungen aus der Arktis kartiert. Al Gore bekam den Friedensnobelpreis für, ja: Klimaschutz. Die Europäsche Union verpflichtete sich in einem Anfall von Wagemut, die eigenen Treibhausgase bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Der britische
Unternehmerverband
forderte vom damaligen Premierminister Tony Blair, doch bitte strengere Emissionsnormen zu verabschieden. Selbst der widerspenstige George W. Bush hatte schließlich ein Einsehen und erkannte global warming als Tatsache |8| an. Und die Deutschen wählten »Klimakatastrophe« zum Wort des Jahres.
    Den wichtigsten und radikalsten Vorstoß machte jedoch die deutsche Kanzlerin. Im Spätsommer 2007 sagte Angela Merkel bei einem Staatsbesuch in Japan, die Treibhausgasemissionen sollten in Zukunft pro Kopf gemessen werden und abhängig sein von der jeweiligen Bevölkerungszahl eines Landes. Im Kern fordert sie damit, dass allen Menschen die gleichen
Verschmutzungsrechte
zugestanden werden sollen. Macht man sich diese Vorstellung zu eigen, bedeutet das nichts weniger als das Ende der Verschwendungsgesellschaft für Amerikaner und Europäer, damit Chinesen und Inder weiter Fabriken und Hochhäuser bauen können.
    Abgesehen von einigen erstaunten Kommentatoren war und ist die Tragweite dieses Gedankens der europäischen Öffentlichkeit nicht bewusst. Wenn alle Afrikaner genauso viel Treibhausgase in die Luft blasen wie Europäer und Amerikaner – dann gute Nacht, Erde. Wenn ein Berliner nur noch so viel Kohlendioxid freisetzen darf wie ein Indonesier – Moment, wie bitte? Ja, richtig gehört, das beinhaltet Angela Merkels Vorschlag. Ohne Klimagerechtigkeit wird es keinen effektiven globalen Klimaschutz geben. Der Geist ist aus der Flasche. Klimawandel bedeutet also Verzicht. Doch ob sich damit Wahlen gewinnen lassen? Frau Merkel wird sich da etwas einfallen lassen müssen. Immerhin rennt sie bei den Deutschen beim Thema Klimawandel offene Türen ein.
    Wer bei google.de das Stichwort »Klimawandel« eingibt, landet 3,6 Millionen Treffer. »Klimaschutz« bringt es auf 2,17 Millionen. »Sex« hingegen ist nahezu uninteressant: nur 1,4 Millionen Einträge. Auch des Deutschen liebstes Kind, das Auto, bringt es gerade mal auf zwei Millionen Treffer. Das Klima bewegt uns Deutsche sehr. Wir neutralisieren unseren Wochenendausflug |9| nach Kreta. Wir kennen unseren CO2-Fußabdruck. Wir wissen, wie viel Kohlendioxid unser Auto verpufft. Wir schimpfen über die Chinesen, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen und dafür das Klima versauen. Wir waren auch beim Live Earth Konzert im letzten Sommer und tanzten für mehr Klimaschutz. Wir haben unseren Stromanbieter gewechselt, damit nur noch Energie aus Windkraft den Swimmingpool beheizt. Wir demonstrieren gegen neue Kohlekraftwerke in Deutschland. Wir kaufen nur noch Pflaumen aus der Mark Brandenburg und nicht mehr aus Chile. Wir finden auch, dass Schnittblumen aus Afrika Klimasünde sind. Und überhaupt, finden wir, dass wir schon genug getan haben, um das Klima zu retten. Nun sind langsam mal die anderen dran, oder?
    Die anderen stehen unterdessen immer häufiger unter Wasser. Zehntausende Menschen starben im Frühjahr 2008 in Birma, da ihre Städte und Dörfer überflutet wurden. Tausende Menschen starben ein Jahr zuvor in Indien und Bangladesch, Millionen Menschen verloren dort ihr Obdach – Katastrophen, die in europäischen Medien damals kaum erwähnt werden. Im Sommer 2007 standen auch Teile Mittelenglands unter Wasser. Rekordregenfälle führten zu den schwersten
Überschwemmungen
seit Jahrzehnten.
    An einem dieser Tage saß ich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher