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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden
Autoren: Sigrid Neureiter
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und Francesca ein weiteres Duett. Trotz Xenias schroffer Ermahnung hatten sie es sich nicht nehmen lassen, ihre Gäste mit einer neuerlichen, diesmal sogar musikalischen Darbietung zu erfreuen. Dafür hatten sie einige der bekanntesten Liebeslieder Walthers von der Vogelweide ausgewählt, vorzugsweise jene, in denen er seine Zuneigung zu einem Mädchen von geringerem Stand besingt. Francesca hatte mit ihrem wohlklingenden Alt den weiblichen Part übernommen, Blasius begleitete sie dazu recht kundig auf seiner Laute, einem gitarreähnlichen Saiteninstrument. Nun schienen sie mit ihrem Vortrag fertig zu sein. Nachdem sie sich noch einmal verneigt hatten, nahmen sie ihre Plätze am Kopfende der Tafel wieder ein.
     
    Lenz Hofer säbelte sich ein großes Stück von der Hühnerkeule ab, die die als Burgfräulein verkleidete Kellnerin gerade aufgetragen hatte. Auch Jenny Sommer, die neben Francesca saß, ließ es sich schmecken. Lenz mochte Frauen, die tüchtig zulangten, und zu denen gehörte Arthurs ehemalige Studentin offenbar, auch wenn man es ihrer zierlichen Figur nicht ansah.
    Ihre erste Begegnung heute hatte ja nicht gerade unter einem guten Stern gestanden. Er war auf seinem Weg zur Villa Wasserschloss spät dran gewesen und hatte daher kräftig Gas gegeben, soweit das mit einem Fahrrad halt möglich war. Die Läuferin, die nicht gerade vorschriftsmäßig, ohne nach links und rechts zu schauen, von der Promenade abgebogen war, hatte er erst im letzten Augenblick gesehen und ihr – da er es eilig hatte – auch keine weitere Beachtung geschenkt. War ja nichts passiert. Er hatte ja nicht ahnen können, dass es sich ausgerechnet um Dr. Jenny Sommer handelte.
    Dass sie dann sauer reagiert hatte, war kein Wunder. Auch wenn sie ihm ein bisschen zu schnippisch vorgekommen war, als sie einander im Salon wiederbegegneten. Er schien einfach kein Glück mit den Frauen zu haben. Hatte er schon wieder eine zum Überreagieren gebracht. Als er dann sah, wie sie auf dem Weg zur Burg mit ihren zwar sehr schicken, aber völlig ungeeigneten Schuhen kämpfte, hatte sie ihm doch leid getan, und er war einfach noch mal zurückgegangen, auf der Fahrbahn, nicht den Fußweg. Keiner hatte etwas gemerkt. Bis er dann vor Jenny stand. Die aber richtig froh wirkte. Hatte sich einfach auf ihn gestützt und den Kies aus ihren Sandalen geschüttelt. Dann waren sie losgejoggt. Er hatte sich zwar schon ein wenig ihrem Tempo anpassen müssen, aber flott war sie unterwegs. Musste man ihr lassen. Bergauf hatte sie sich dann bei ihm eingehängt, so kamen sie rasch voran. Waren fast gleichzeitig mit den anderen am Burgtor.
    Lenz sah von seinem Teller auf. Ihm gegenüber zankten sich die Studenten. Neben ihm saß Xenia und schaute sauer auf ihren Hühnerhaxen. War wohl nicht ihr Tag heute. Wollte sie dem Burgdirektor vorschreiben, was er zu tun hat. Der war cleverer, als er aussah. Redete ein bisschen geschwollen daher, hatte aber Xenia gleich den Wind aus den Segeln genommen. War sie ganz kleinlaut gewesen die meiste Zeit. Einmal hat sie’s dann noch probiert. Als Blasius Botsch im »Saal der Liebespaare« – netter Name für den Raum – die Handschrift aus dem Schrank genommen und wieder hineingelegt hatte. Es gab aber kein Schloss. Ob das denn überhaupt den Sicherheitsbestimmungen entspreche, wollte Xenia wissen. War der Botsch gleich wieder in seinem Element. Werteste Dame usw. hatte er gesülzt. Machte er jedenfalls klar, dass es nur einen Eingang in die Burg, nämlich durch den Westpalas gibt, und dass keiner rein kann, wenn die Tür erst mal verschlossen war. Er schloss dann auch gleich ab, als sie unten ankamen, und übergab den Schlüssel demonstrativ an Francesca, die ihn an ihrem Schlüsselbund befestigte.
    Jenny war ganz verwirrt gewesen, was Lenz daraus schloss, dass sie ihn ein paar Mal gefragt hatte, wo sie denn gerade seien. Für ihn war das dagegen überhaupt kein Problem gewesen. Lag wohl an seinem guten Orientierungssinn. Das hatte er auf Runkelstein gleich begriffen: Es gab einen Westpalas und einen Ostpalas, miteinander verbunden durch das Sommerhaus. Das war erst später gebaut worden, hatte aber die schönsten Fresken. König Artus war drauf, ein paar seiner Ritter, Zwerge, Riesinnen. Ein Wehrgang führte vom Westpalas zum Sommerhaus. Von dort sah man in den Burghof, auf die Tribüne und die Bühne, wo im Sommer Theaterstücke und Konzerte aufgeführt wurden.
     
    Nachdem sie den »Saal der Liebespaare« und den Westpalas
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