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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden
Autoren: Sigrid Neureiter
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wieder verlassen hatten, waren sie über den Hof zur Burgschänke gegangen.
    Jenny hatte ihn gefragt: »In welchem Stock lag denn der Raum, in dem die Handschrift aufbewahrt wird?« War doch klar, im dritten. Hat er ihr auch gesagt. Und ein bisschen gegrinst dabei. War sie hoffentlich nicht wieder sauer. Nein, wohl nicht. Jetzt sah sie zu ihm herüber und lächelte. Frau Minne hatte ihr gerade einen kleinen Zettel in die Hand gedrückt. Was wohl drauf stand?
     
    Lenz sah sich in der Burgschänke um. Nur indirektes Licht hier. Wandleuchten, die schemenhaft Lichtkegel an die Decke warfen, und in den Nischen Öllampen in der Form kleiner, bauchiger Buddhas. Zwar nicht direkt mittelalterlich, aber doch irgendwie authentisch, wenn auch nicht besonders hell. Ob Jenny überhaupt lesen konnte, was auf dem Papier stand? Schien sie ihm eine Brille zu brauchen, sie trug aber keine.
    Wie alt war sie wohl? Lenz fand, dass sie zu den Frauen gehörte, die sich schwer einschätzen ließen. Könnte er sie ja einfach fragen. Kam es ihm aber auf das Alter gar nicht an. Er sollte sich ohnehin lieber keine Hoffnungen machen. Sie war eine Karrierefrau und er nur ein verbummelter Dissertant. Wollte ja Lehrer werden und gleich nach den Prüfungen nach Bozen zurück, dann kam das Angebot von Arthur, als sein Assistent an der Uni zu bleiben. Dachte er sich: Gönn’ ich mir noch zwei, drei Jahre und dann zurück in die Heimat und zu Christa. Nein, mit ihr wollte er sich jetzt nicht beschäftigen.
    Lenz sammelte die verstreuten Teile seines Gedankenpuzzles wieder ein. Vor ihm stand die Nachspeise, eine Buchweizentorte mit Schlagobers. Mit der Gabel stach er in die cremige Masse auf seinem Teller.
     
    *
     
    »Geh, lass mich endlich in Ruhe.« Tina Ebner hatte es satt. Den ganzen Abend über war Mordred ihr schon auf die Pelle gerückt beziehungsweise, wie sie es ausdrückte, »zubi gestiegen«. Jetzt hatte sie seine Annäherungsversuche endgültig leid. Was bildete der »Batzi« sich eigentlich ein? Zugegeben, als sich der gut aussehende junge Mann, der als Schwarm vieler Studentinnen galt, im Laufe des Semesters um sie zu bemühen begann, war Tina anfangs durchaus geschmeichelt gewesen. Aber sie hatte sich umgehört und bald in Erfahrung gebracht, was ihr blühte, wenn sie sich mit ihm einließ: Schöntun, Verführen, Fallenlassen. Das war seine Methode. Aber nicht mit ihr!
    Tinas anfängliche Begeisterung war rasch abgekühlt. Als ihr dann auch noch zu Ohren kam, dass der »Werkstudent«, wie er sich selbst gerne bezeichnete, für einen Politiker der Rechtspartei arbeitete, war bei ihr überhaupt der Ofen aus gewesen. Als Tochter eines Montagearbeiters, der es in seiner Kreisstadt zunächst zum Chef und schließlich zum Besitzer des größten Möbelhauses der Region gebracht und dabei bis heute seinen sozialdemokratischen Wurzeln treu geblieben war, kam auch für sie keine andere Partei in Frage. Schon gar nicht die Rechten.
    Von da an hatte die tüchtige Studentin Mordred mit kollegialer Distanziertheit behandelt, und auch er schien bald das Interesse an ihr verloren zu haben. Als Professor Kammelbach dann die Einladung zu der Studienreise nach Bozen, so hatte er es genannt, ausgesprochen hatte, bewarb sie sich umgehend. Ihr fehlte in ihren ohnehin überdurchschnittlichen Zensuren noch ein Sehr gut, dann hatte sie beste Chancen, ein Auslandsstipendium für Florenz zu bekommen, wo sie sich ihrem Zweitfach Italienisch widmen wollte.
    Ihr Vater würde sie zwar großzügig unterstützen, aber ihr war es immer lieber, wenn sie die Dinge aus eigener Kraft schaffte oder zumindest einen Beitrag dazu leisten konnte. Und der Professor hatte durchklingen lassen, dass die Teilnahme an der Handschriften-Expedition, so nannte Tina die Reise insgeheim, sich positiv auf die Benotung auswirken werde.
    Sie hatte natürlich einen Platz im Team erhalten, bei ihren guten Leistungen kein Wunder. Einziger Wermutstropfen war, dass ausgerechnet Mordred Leitner und sein alter Ego Lukas Gruber die beiden anderen Studenten sein würden, die das große Los gezogen hatten. Tina wusste, dass die zwei sich schon aus ihrer gemeinsamen Internatszeit kannten und seither offenbar ein Herz und eine Seele waren. Sofern Mordred überhaupt ein Herz oder eine Seele besaß. Denn abgesehen von der in ihren Augen nicht gerade rühmlichen Faktenlage hatte sie noch etwas anderes vor Mordred zurückschrecken lassen: Seine kaltschnäuzige, großspurige Art, die er oft genug
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