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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball
Autoren: Stefan Holtkötter
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töten. Zum Glück war es nicht dazu gekommen.
Trotzdem hatte er den Entschluss gefasst, es zu tun. Wer einen Menschen tötet,
hieß es, der tötet auch einen Teil von sich selbst.
    Auf dem Parkplatz des Präsidiums hatte er den Streifenbeamten
getroffen, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte. Er stand mit hochgezogenen
Schultern da und rauchte eine Zigarette.
    »Das war eine schlimme Sache gestern«, sagte Hambrock. »Du hast gute
Reaktionen gezeigt.«
    Der Kollege sagte nichts dazu. Nickte nur und zog gierig an seiner
Zigarette.
    »Du hast richtig gehandelt.«
    »Ich weiß. Einer musste es tun.«
    »Eben. Das war ein guter Schuss. Du hast Schlimmeres verhindert. Dir
blieb keine Wahl.«
    »Er hatte Handgranaten bei sich. Die hätte er noch werfen können.«
    »Genau. Und denk an den Amokläufer von Winnenden. Da haben die
Kollegen zwei Beinschüsse abgegeben, ohne ihn zu stoppen. Der hat einfach
weitergemacht.«
    Der Kollege nickte, dann warf er seine Zigarette auf den Asphalt und
trat sie aus.
    »Ich muss wieder hoch«, sagte er und verschwand durch die Tür.
Danach hatte Hambrock ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen.
    Natürlich hatte sich die Polizeiführung hinter ihn gestellt. Bei
Amokläufern, die wahnhaft um sich schossen, musste schnell und beherzt
eingegriffen werden. So die offizielle Haltung. Trotzdem gab es da diesen anderen
Kollegen, der sich in einer ähnlichen Situation ganz anders verhalten hatte. Es
war der Streifenpolizist, der im Foyer stand, als Niklas mit Marlons Waffe
aufgetaucht war.
    Natürlich hatten alle geglaubt, er wäre der Amokläufer, den sie
stoppen sollten. Keiner war auf die Idee gekommen, der Junge könne ein Opfer
sein, das unter Schock stand und sich die Waffe des Täters geschnappt hatte.
Und doch beschloss der Polizist in der Hitze des Gefechts, einen Schuss in den
Arm zu wagen, der Niklas lediglich entwaffnen und handlungsunfähig machen
würde. So war der Junge nur verletzt und lag jetzt im Krankenhaus, wo er
psychologisch betreut wurde. Natürlich waren das zwei unterschiedliche
Situationen gewesen, dennoch war die Entscheidung dieses Kollegen eine Stellungnahme,
mit der sich der Todesschütze auseinandersetzen musste.
    Die Tür öffnete sich, und Erlend betrat die Kneipe. Ihr Anblick
löste eine Welle von Gefühlen in Hambrock aus. Er war unendlich froh, sie zu
sehen. Am Morgen hatten sie sich schweren Herzens getrennt. Als sich
abgezeichnet hatte, dass er den ganzen Tag im Präsidium sein würde, war sie in
die Universität gefahren, um ihre E-Mails zu checken und die Post durchzusehen.
Danach war sie zu Heike gefahren, um nach ihr zu sehen.
    Bei Erlends Ankunft gestern war einiges schiefgelaufen, doch bislang
hatte es deswegen noch keinen Streit gegeben. Es sah aus, als würde Erlend ihm
verzeihen. Doch in ihrem Schweigen schwang eine Warnung mit: Dieses Mal würde sie ihm verzeihen.
    Sie begrüßte ihn mit einem Kuss und setzte sich neben ihm an den
Tresen.
    »Wie geht es Heike?«, fragte er.
    »Wie es aussieht, hat sie den Schock überwunden. Aber sie hat immer
noch Schuldgefühle, weil sie ihr Kind gefährdet hat.«
    »Jetzt wird sie wohl anders über ihre Versetzung denken.«
    »Ja, den Eindruck hatte ich auch. Sie wird dir bestimmt fehlen.«
    Bevor er etwas erwidern konnte, tauchte Jamaine vor ihnen auf und
stellte Erlend ungefragt ein großes, frisch gezapftes Bier auf den Tresen. Dann
betrachtete er Hambrock.
    »Warst du gestern Abend dabei?«, fragte er.
    Der Amoklauf beschäftigte nicht nur ganz Münster, sondern inzwischen
auch die gesamte Republik. Im Fernsehen lief nichts anderes mehr, und die Stadt
war belagert von Sendewagen und Reporterteams. Egal, wohin man ging, es gab nur
noch dieses eine Thema.
    »Ja, ich war dabei. War keine schöne Sache.«
    »Tut mir leid für dich, Bernhard. So was sollte keiner erleben.«
    Dabei sah er ihn auf eine Weise an, dass Hambrock ihn am liebsten
gefragt hätte: Wusstest du, dass das alles passieren wird?
    »Was ist eigentlich mit dem Mord an dem Sicherheitstypen?«, fragte
Jamaine. »Hast du den inzwischen aufgeklärt?«
    Hambrock stieß ein trockenes Lachen aus. »Ja. Immerhin.«
    Wie es aussah, war der Tod von Matthis Röhrig tatsächlich
aufgeklärt. Es war eine merkwürdige Geschichte. In der vergangenen Nacht hatten
Polizeibeamte die Freundin des Toten an einer Bushaltestelle bewusstlos
aufgefunden. In ihrem Rucksack befanden sich hohe Bargeldbeträge, deren
Herkunft sich anfangs keiner erklären konnte. Dann
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