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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball
Autoren: Stefan Holtkötter
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abbekommen.
    Woher wussten die, dass er hier war? Wie konnten sie seine Pläne
kennen?
    Das durfte nicht das Ende sein. Er hatte seinen Auftrag noch nicht
erfüllt. Die Schreie und die Toten im Blauen Saal konnten nicht darüber hinwegtäuschen.
Das waren viel zu wenige gewesen. Er musste weitermachen. Töten. Keiner durfte
überleben. Es war längst nicht genug Blut geflossen.
    Er war aus dem Blauen Saal geflohen. Hinter einen Wandvorhang war er
verschwunden. Dort gab es eine Tür, so etwas wie einen Notausgang. Sie war
nicht verschlossen gewesen, er hatte sie aufgedrückt und war
hindurchgestolpert.
    Sein Gewehr war weg, aber das spielte keine Rolle. Er hatte immer
noch die Pistole. Und die Handgranaten. Wichtig war, zu verschwinden. Erst einmal.
Die Polizei abschütteln.
    Hinter der Tür empfing ihn helles freundliches Licht. Hohe Fenster,
weiße Fliesen, Lichtelemente. Er war in einem der breiten Flure, die vom Foyer
wegführten.
    Er drückte sich mit dem Gewicht gegen die Tür, damit sie wieder ins
Schloss fiel. Er fühlte sich schwach. Blut tropfte auf den Boden. Er konnte
nicht sagen, wie schwer er verletzt war. Aber das spielte keine Rolle. Er würde
ohnehin bald sterben. Er war bereit.
    Keiner durfte überleben. Er taumelte, zog seine Pistole und schoss.
    Schreie. Fluchtartige Bewegungen. Die Leute, die gerade noch
gemütlich durch den Flur geschlendert waren, stürzten jetzt in alle Richtungen
davon. Hatte er einen von ihnen getroffen?
    Er schoss wieder. Und wieder. Dann war der Flur leer, alle waren
fort. Entschlossen humpelte er weiter. Sein Weg führte ihn ins Foyer. Dorthin
waren die Leute aus dem Blauen Saal geflohen. Er würde sie abfangen. Ihm
blieben noch die beiden Handgranaten. Die musste er nur in die Menge werfen.
Ein Massaker, wie er es sich erträumte. Und wer vor den Granaten fliehen
wollte, den würde er erschießen. Alle würden geopfert werden. Das war seine
heilige Pflicht.
    Am Ende des Flurs waren Schatten zu sehen, ein paar Köpfe tauchten
auf. Er wartete nicht darauf, dass sie sich näherten. Er hob einfach die
Pistole und schoss.
    Immer wieder.

22
    Niklas stand fassungslos neben dem DJ -Pult. Er konnte
nicht begreifen, was passiert war. Günter Ehlers lag hustend auf den
Lautstärkereglern. Er hatte eine Wunde am Oberarm, sein Hemdsärmel war
blutgetränkt, er schien aber keine schwereren Verletzungen davongetragen zu
haben.
    Auf der Tanzfläche waren überall Tote und Verletzte. Da lagen
Kleidungsstücke herum, einzelne Schuhe, Handtaschen und zerbrochene Gläser. Es
sah aus wie nach einem Bombenanschlag.
    Jule. Sie musste irgendwo sein. Er blickte sich hektisch um. Seine
Schwester war gerade am DJ -Pult aufgetaucht, als das Chaos ausbrach.
Plötzlich sah er sie. Sie lag auf der Tanzfläche, immer noch mit ihrem albernen
Kostüm. Doch der weiße Stoff war zerrissen und voller Blutflecken. Daunenfedern
umhüllten ihren Körper wie eine Corona. Sie rührte sich nicht, das Gesicht
hatte sie abgewandt.
    Er war unfähig, sich zu bewegen. Wie in Trance starrte er zu dem
reglosen Körper seiner Schwester. Polizisten strömten in den Raum, sicherten
die Ausgänge, suchten offenbar nach dem Schützen. Rettungsärzte folgten. Sie
waren plötzlich überall. Reanimierten leblos scheinende Männer und Frauen,
hielten Infusionsbeutel, breiteten Schockdecken aus. Eine Ärztin ließ sich
neben Jule auf den Boden sinken. Prüfte ihren Puls, sah ihr in die Augen,
inspizierte die Schusswunden in ihrer Brust. Ein anderer Arzt kam hinzu, um zu
helfen. Doch die Ärztin schüttelte den Kopf. Sie hielt einen Moment inne, ließ
ihre Hand auf Jules Wange ruhen. Dann schloss sie ihr die Augen, stand auf und
wandte sich anderen Verletzten zu.
    Niklas war wie gelähmt. Er spürte seinen Körper nicht. Wie betäubt
starrte er auf die Leiche seiner Schwester, unfähig zu begreifen, was er sah.
    Jule.
    Neben ihr lag eine Lichtleiste, die zu Boden gekracht war. Darunter
entdeckte er Marlons Schnellfeuerwaffe. Er hatte sie offenbar bei seiner Flucht
verloren. Niklas starrte sie an. All seine Gedanken fokussierten sich auf die
Waffe. Und darauf, was er mit ihr machen konnte.
    Keiner achtete auf ihn, als er sich aus seiner Starre löste und zur
Lichtleiste hinüberging. Er fischte das Gewehr hervor und nahm es an sich. Es
war schwer. Viel schwerer als die Sportwaffen seines Vaters. Doch das Prinzip
musste das gleiche sein. Irgendwie würde er es schon schaffen, die Waffe
abzufeuern.
    Er drückte sie an seinen Körper.
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