Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
Vom Netzwerk:
Pflanze umsäumt war.
    Diese Landschaft, die Kanäle, Gräben, Meere, die sich anschließenden Weideflächen, die stolz in den Himmel ragenden Bäume waren ideal für die Entenjagd. Eibe Kremers war bevorzugt hier, an den Kanälen und Meeren, manchmal auch auf Einladung von bekannten Landwirten zu Treibjagden in der Marsch oder hinterm Seedeich. Er brauchte nicht nach Mallorca, Gran Canaria oder wohin auch immer. Er hielt sich an das Motto aus einem der Lieder von Hannes Flesner: ›Wat will’n wi in Europa? Ostfreesland is so mooi!‹
    In dieser Gegend war ihm jeder Meter Gewässer genau bekannt, er wusste alle Wege zu beschreiben und konnte neben den langjährigen Einwohnern beinahe alle Meerbudenbesitzer benennen. Er konnte sagen, welches der Häuschen wann gebaut worden und wie in einigen Fällen mit fehlenden Baugenehmigungen umgegangen worden war. Mit diesem Wissen hielt er meistens, jedoch nicht immer, hinter dem Berg. Nicht dass er jemanden ans Amt verpfiffen hätte, so etwas würde er nicht tun. Aber im Gespräch eine Bemerkung fallenzulassen, konnte manchmal Türen öffnen, wenn es nötig war.
    Kremers kannte jedes Stück Land und wusste, zu welchem Hof es gehörte – oft mit zugehörigen historischen Daten. Kremers hatte im Kopf, wer wo die Angel- oder Jagdrechte besaß und wann der Unterhaltungsverband das letzte Mal Maßnahmen zur Entkrautung von Wasserläufen oder zum Uferschutz durchgeführt hatte. Wer dachte, ein computergestütztes Informationssystem sei notwendig, um all das zu speichern, der irrte. Kremers, obwohl nicht mehr der Jüngste, war der lebende Beweis, dass sich umfangreiche Datenbanken ausschließlich in einem menschlichen Hirn befinden konnten, inklusive widerspruchsfreier Abfragemöglichkeit. Im Gegensatz zu einer Software, die immer Information lieferte, wenn man formal korrekt danach fragte, setzte eine Frage an Eibe Kremers allerdings dessen Gesprächsbereitschaft voraus. Eibe Kremers wog jedoch genau ab, wem er was erzählte.
    Herbst und Winter waren die ideale Zeit für die Entenjagd. Die Wochenendbesucher und Touristen blieben mehr und mehr aus, das Wetter wurde ungemütlicher, immer früher wurde es dunkel. Kremers mochte diese Jahreszeit. Jede hatte eben ihre schönen Seiten. Die Stille mancher Tage, an denen man beinahe die Blätter zu Boden fallen hören konnte, das ferne Quaken von Enten oder am Himmel in fest vorgegebenen Formationen gen Süden ziehende Vogelschwärme – diese Zeit hatte Wundervolles zu bieten, was Städter in ihrer künstlich beleuchteten Umwelt oft nicht bemerkten, dachte er. Gerade in dieser Zeit brach er oft auf, Gewehr geschultert, voller Elan. Sog die gute Luft ein, wanderte auf kleinen Fußwegen, von denen manche nur wenige kannten, in die Schilfgürtel der Meere, pirschte sich an Vogelgruppen an und ging mit ein bisschen Stolz, den nur er allein für sich genoss, nach Hause, wenn er dem ein oder anderen Tier die Lebensgeister genommen hatte und sich ausmalte, wie er es zubereiten würde. Doch auch ohne Jagdbeute genoss er die Streifzüge durch diese einzigartige Landschaft in der Mitte Ostfrieslands. Manchmal war er an der anderen Seite des Großen Meeres unterwegs, in der Umgebung von Bedekaspel oder Forlitz-Blaukirchen, wo er Landwirte oder andere Anwohner kannte, die zum Teil ähnliche Interessen hatten.
    Ente war für ihn, und seine Frau, das Beste aus der Wildküche. Wenn er Enten erlegt hatte, nahm er die Küche in Beschlag und zauberte wahre Delikatessen. Ein kleineres Tier von vielleicht einem Kilo konnte man mit wenigen Zutaten zu einem Gaumenschmaus für zwei Personen verwandeln. Grobe Würfel von zwei Zwiebeln, einer halben Karotte, einer Steckrübe und zweier Birnen. Die mit Ahornsirup bestrichene Ente wurde zusammen mit dem Gemüse in eine Kasserolle gegeben, wenn vorhanden kam ein wenig Rosmarin dazu, und ab und an musste er mit Fleischbrühe ablöschen. Nach ungefähr 40 Minuten war der Vogel gar und er konnte ihn tranchieren. Ein paar Thymianblätter über das Gemüse und ein Mahl war kreiert, welches seinesgleichen suchte.
    Nur selten kam Kremers erfolglos von der Jagd – als Jäger nahm er das sportlich, wenn seine Frau ihm auch immer eine gewisse Enttäuschung ansah. Natürlich machte es ihm mehr Spaß, wenn er sich vorstellte, wie das Tier noch am Nachmittag fröhlich am Himmel entlang geflogen oder auf der Wasseroberfläche daher geschwommen war, und er es durch einen gekonnten Schuss ins Jenseits befördert hatte. Lotte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher