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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
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aufgeklärt werden. Die Polizei kommt vermutlich bald, sie müsste eigentlich längst da sein – die Rettungsfuzzis sind ja schon wieder weg!«
    »Die waren ja gerade in der Nähe, auf der B 210 unterwegs …«, warf Karl Kromminga ein.
    »Stimmt, da hatten sie es nicht so weit bis zu uns. Egal, die Polizei muss das klären. Wir können nur so gut wie möglich für Dietmar da sein. Alles Weitere können nur die Ärzte für ihn tun. Also Hänger holen und zurück nach Emden. Auf dem kürzesten Wege. Mir ist die Lust am Rudern vergangen – aber die Boote müssen wir zurückbringen, nützt ja nix.«
    »Sehe ich genauso«, stimmte Kromminga zu und die anderen nickten stumm.
    »Das schafft ihr allein, oder?«, fügte Wientjes an. »Ich würde gern zu Dietmar ins Krankenhaus fahren, sehen, wie es ihm geht. Gernot, kommst du mit? Dietmar ist schließlich unser langjähriger Ruderkamerad.«
    Die Ruderer sammelten sämtliche Gegenstände aus den Booten, stellten die Bierkisten ans Ufer und hoben mit vereinten Kräften zunächst den Vierer, dann den Zweier aus dem Wasser. Sie bemühten sich, die langen, schmalen Holzboote so zu lagern, dass sie keinen weiteren Schaden nahmen. Man brauchte ein paar Balken, um sie kopfüber darauf legen zu können, damit Ausleger und Dollen den Boden nicht berührten. Die Skulls wurden unter dem Boot verstaut, die Steuerleine aufgewickelt und das Steuer darauf gelegt.
    Die Männer beschränkten sich auf kurze Anweisungen, als sie die Boote abholfertig herrichteten, um sie zum Ruderverein bringen zu können. Eines würde direkt in die Werkstatt gebracht werden, wenn dort Platz war. Ein Einschussloch im Bug zu flicken wäre wohl Neuland für den Bootswart.
    Sie gaben noch einem älteren Mann Bescheid, der hier eine Meerbude besaß, direkt am Kanal gelegen. Er wollte ein Auge auf die Boote werfen; das Material kostete eine Menge Geld, unbeaufsichtigt wollten sie das alles nicht liegen lassen. Der Mann zeigte sich sehr beunruhigt wegen der Schüsse, hier, in dieser Gegend. Das sei sicherlich ein dummer Zufall gewesen, es würde sich aufklären, glaubte er. Vor Jahren habe es schon einmal einen ähnlichen Fall in der Gegend gegeben. Damals hätte es aber einen Paddler getroffen, keinen Ruderer. Das war schließlich ein Unterschied.

4
     
     
    Eibe Kremers lebte seit seiner jüngsten Kindheit in der Nähe des Großen Meeres, nunmehr seit 75 Jahren. Als Junge war er durch das Marschland gerannt, war mit seinem Onkel in einem der schmalen, schwarz geteerten Langboote, die Jülle genannt wurden, über die Kanäle zum Schilfschneiden gefahren. Heute wurde das Schilfrohr, das Reet, maschinell geerntet, nur noch selten sah man die langen Kähne, vollgepackt mit Reetbunden, auf den Kanälen. Dass die Pflanze mit Hafer, Roggen, Weizen, aber auch Bambus verwandt war, war den meisten nicht bekannt. Kremers’ Onkel war damals in demselben Boot auf Entenjagd mit ihm gegangen. Später, als Schüler und während der Lehre, die er auf dem elterlichen Hof und einem bei Suurhusen, dem Dorf mit dem schiefsten Kirchturm der Welt, gemacht hatte, war er immer wieder auf die Pirsch gegangen mit bald ebenso großem Erfolg wie sein Onkel. Er war als sehr guter Schütze anerkannt.
    Das Große Meer, ein Flachmoorsee, der am Übergang von der Marsch zur Geest entstanden war, hatte touristisch eine Menge zu bieten. Vom nördlichen Seeufer bis zum Südrand betrug die Entfernung etwa 4,5 Kilometer, die Gesamtfläche von 460 Hektar lud zu Wassersport in allen Facetten ein – Ruderer, Paddler, Kanuten, Segler und Surfer waren hier zu finden. Vorteilhaft war, dass alle sogenannten Meere eine sehr geringe Wassertiefe aufwiesen, weil sie aus Grundwasseransammlungen in der von Flachmooren geprägten Landschaft entstanden waren. Über weite Flächen waren sie meistens nur bis einen Meter tief, ideal für Wassersportler, denn ging etwas schief, konnte man fast überall stehen, um Schäden zu beheben und Kenterungen oder Havarien ohne größere Gefahren zu meistern. Schwimmen musste man nur an wenigen Stellen. Benachbart zum Großen Meer lagen das Loppersumer Meer und das Kleine Meer, ähnliche Flachmoorseen, allerdings erstreckten sie sich über eine wesentlich geringere Fläche. Zum Teil wurden die Uferbereiche von breiten Schilfgürteln eingenommen, wenn sie nicht erschlossen waren; das galt besonders für das Kleine Meer, während das Große Meer weite Schilfflächen umfasste und das Loppersumer Meer fast vollständig von der
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