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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
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ins Wasser getaucht wurde und dann nicht schnell genug aus dem Wasser herausgehoben werden konnte. Das brachte in einem Mannschaftsboot den gesamten Rhythmus durcheinander. Man musste im schlimmsten Fall neu starten – das kostete Zeit und ein, zwei Längen waren da gar nichts, die wieder zurückgewonnen werden mussten. Meistens war damit das Rennen verloren.
    Jetzt stand Gernot Jande da und wusste nur, dass man die Blutung stillen musste und ein ordentlicher Verband das Beste wäre. Schuldbewusst gestand sich die Mannschaft ein, dass sie keinen Erste-Hilfe-Kasten dabei hatte. Fest drückte er jetzt seine Sportjacke auf die Wunde am Oberarm. Wientjes lief zu einer Meerbude in der Nähe, von der er wusste, dass sie einem Nachbarn gehörte, den er zwar überhaupt nicht schätzte, doch hier handelte es sich um einen Notfall. Vielleicht hatte der Verbandsmaterial im Haus. Aber er klopfte vergeblich an die Tür.
    Endlich ein Martinshorn in der Ferne. Der Wind kam aus West, sonst hätten sie es kaum wahrgenommen. Nach weiteren, endlos erscheinenden Minuten des Wartens erreichten die Ersthelfer die Anlegestelle.
    Die Sanitäter hatten eine Trage dabei. Als sie den Verletzten sahen und realisierten, dass er nicht in Lebensgefahr schwebte, wurden sie etwas gemächlicher. Der Arzt erklärte, er würde die Wunde verbinden, allerdings sei es besser, wenn der Verletzte mit ins Krankenhaus käme. Dort könnte man untersuchen, wie tief die Kugel das Fleisch verletzt habe und ob eventuell der Knochen in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Außerdem würde man das Ganze ordentlich desinfizieren und ein Antibiotikum gegen eine mögliche Infektion geben. Stöwers hatte sich wieder im Griff und lehnte ab – das sei nicht nötig, er erhole sich zusehends. Der Arzt insistierte jedoch, Stöwers musste mit. Die Sanitäter legten Stöwers auf die Trage, der glaubte zwar, selbst gehen zu können, sie akzeptierten aber keine Widerrede, sie mochten ihre Gründe haben. Es waren einige hundert Meter bis zum Rettungsfahrzeug zurückzulegen.
    Zurück blieben sechs Ruderer. Den Doppelvierer und den Doppelzweier hatte ihnen der Bootswart in Emden zur Verfügung gestellt. Wobei das ›Doppel‹ nichts mit der Anzahl der Ruderer zu tun hatte. ›Ein Doppelvierer ist dann ein Achter?‹, fragte mancher Laie. Die Bezeichnung bezog sich jedoch darauf, ob ein Ruderer zwei Skulls in Händen hielt, in jeder eines, oder einen Riemen, der länger und schwerer als die Skulls war und der entweder back- oder steuerbord gerudert wurde. Ein Vierer war somit ein Riemen-, ein Doppelvierer ein Skullboot. Und Zweier und Vierer gab es mit und ohne Steuermann. Wanderfahrten wurden meist mit Steuermann gemacht – die Variante ohne ihn war für Rennen bei Regatten interessanter und natürlich schwieriger, da die Ruderer selbst dafür Sorge trugen, das Boot auf Kurs zu halten.
    Der Bootswart kannte die meisten der Ruderer und wusste, dass sie ordentlich mit dem Bootsmaterial umgehen würden. Ruderboote waren sehr empfindlich. Sie mussten wie rohe Eier behandelt werden, zumindest, wenn es nicht die früher gängigen Klinkerboote waren, die es schon mal aushielten, wenn man über einen Baumstamm oder auf einen Stein fuhr. Für die empfindlichen Sperrholz- oder Kunststoffboote bedeutete so etwas ein Leck. Ein solches Leck war fachmännisch zu flicken und erforderte besondere handwerkliche Fertigkeiten. Am Rande hatte der Bootswart erwähnt, er hätte genug zu tun und könne auf zeitraubende Bootsreparaturen durchaus verzichten, man möge also bitte pfleglich mit dem Material umgehen. Andererseits wusste er Boote so zu reparieren, dass man die Schadstelle später gar nicht mehr entdeckte.
    Nun waren zwei Schüsse gefallen, ein Projektil hatte Stöwers Arm gestreift, eins hatte zwei Löcher im Bug des Vierers hinterlassen. Man würde nun doch ein beschädigtes Boot zurückbringen müssen. Jedem stand nach diesem Erlebnis der Schock ins Gesicht geschrieben, an ein Fortsetzen der Rudertour war nicht zu denken. Jetzt war Schluss, hier am Großen Meer. Die Boote trieben träge im Wasser, das Wetter spielte mit, eigentlich herrschten ideale Ruderbedingungen. Doch zwei blutgetränkte T-Shirts und eine rot befleckte Jacke zeugten von dem schier unglaublichen Vorfall.
    Harm Wientjes, zwischen Erstaunen und Erschütterung hin- und hergerissen, wollte die aufkommende Stille brechen: »Leute, die werden Dietmar sicher wieder hinkriegen. Was auch immer passiert ist – es wird
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