Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
Vom Netzwerk:
mit der er geschossen hat, die hatte er fast immer dabei! Zumindest im Handschuhfach seines Wagens. Eine uralte, sowjetische Pistole, die er in der Wendezeit einem Offizier abgekauft hat – gegen harte Westmark, die er vermutlich vorher im Verhältnis 1:3 gegen seine DDR-Mark eingetauscht hatte. Verrückt nicht? Er hatte einen handgeschriebenen Beleg in der Tasche, in der er die Pistole aufbewahrte. Gekauft am soundsovielten, von einem Oberleutnant der roten Armee. Ein Erinnerungsstück, aber eines, das noch gut funktionierte. Das hatte ja auch was, diese Waffe noch einmal zu nutzen, um Rache zu üben … So ist das gelaufen.«
    »Wie hat er mich überhaupt erkannt?«
    »In der Akte sind Fotos von Ihnen. Wir haben das geprüft. Er hat dieselbe Akte, die wir wegen der polizeilichen Ermittlungen von der Behörde in Berlin angefordert haben, von vorn bis hinten durchgearbeitet. Und haben Sie mal im Internet nach Ihrem Namen gesucht? Man braucht sich gar nicht selbst bei Facebook zu verewigen, um präsent zu sein. Da gibt es Bilder Ihrer Laufgruppe, von Rudertouren …«
    Stöwers sah missmutig ins Leere. »Scheiße!«, entfuhr es ihm.
    »Ja, so kann man das zusammenfassen«, meinte Ulferts. Eine Weile sagte niemand etwas, bevor Ulferts das Gespräch beendete: »Sei’s drum! Frau Hauptkommissarin, das war’s dann wohl. Wir müssen zu Herrn Eilsen rüber, die Pressekonferenz vorbereiten! Der Landrat kommt, der Sport ist vertreten. Und so ein Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbandes.«
    »Plus jede Menge Zeitungsfritzen!«, ergänzte sie und drückte damit aus, dass sie keine allzu große Lust hatte, diesen Termin wahrzunehmen. Sie dachte immer noch darüber nach, was in den Leuten damals vorgegangen sein mochte, egal, auf welcher Seite.
    Stöwers sah verwirrt auf. ›Das war’s dann wohl‹?
    »Sie können gehen«, sagte die Hauptkommissarin in freundlichem Ton, Stöwers zugewendet.
    »Aber … muss ich nicht, ich meine, kein Protokoll …?«
    »Protokoll? Wozu? Wollen Sie etwa noch bleiben? So toll ist es hier nun auch nicht«, der Gedanke an ihre Kur auf Juist blitzte auf. Die Hauptkommissarin sah Meinertz mitleidig an. Er schien nicht zu verstehen, deshalb erläuterte sie: »Wir wollen nichts mehr von Ihnen. Das, was Sie damals verbrochen haben, ist nicht unser Bier! Es laufen noch viele rum, die sich wie Sie schuldig gemacht haben und keine Konsequenzen fürchten mussten. Auch noch ganz andere Kaliber! Aber das gab’s ja schon öfter in der deutschen Geschichte, und nicht nur in der. Meinertz ist tot – der kann Sie nicht mehr verklagen, Sie werden nicht mehr bedroht! Für uns ist der Fall abgeschlossen.«
    »Und jetzt?«
    »Herr Stöwers, wir haben keine weiteren Fragen.« Itzenga sprach es klar und deutlich aus.
    Stöwers stand unsicher auf, er blickte die Hauptkommissarin, dann Ulferts an. Mit aschfarbenem Gesicht flüsterte er: »Also dann … Wiedersehen.«
    »Ich lege nicht weiter Wert darauf.« Ulferts drehte sich demonstrativ zum Fenster.
    »Leben Sie wohl«, ergänzte Tanja Itzenga. Den Gruß hatte sie nie zuvor benutzt.
    Dietmar Stöwers verließ das Polizeipräsidium.
    Freiheit.
    Was sollte er tun? Einen Kaffee trinken? Ein gutes Buch kaufen und den Nachmittag mit Lesen verbringen? Erst nächste Woche müsste er zurück an die Arbeit. Wenn seine Verletzung einigermaßen geheilt war, würde er wieder joggen können und sonntags, wenn schönes Wetter wäre, würden sich sicher wieder ein, zwei Vierer zum Großen Meer aufmachen. Sollte er schon einmal Bescheid sagen, dass er bald wieder mitkäme? Vielleicht sollte er jetzt erst einmal ein bisschen ausspannen auf dem Sofa, nach all der Aufregung?
    Freiheit, ging es ihm durch den Kopf. Sie war da. Doch was jetzt damit anfangen?
    Er stützte sich auf seine Krücken und bewegte sich mit kleinen Schritten, den Blick zu Boden gerichtet, langsam voran. Er wollte tief durchatmen, aber er konnte nicht. Etwas schnürte ihm den Hals zu, er bekam es nicht weg.
    Man musste das Jetzt sehen, man lebte in der Gegenwart, dachte Dietmar Stöwers. Doch das Jetzt und die Gegenwart hatten ein Fundament: die Vergangenheit.
    Er setzte seinen Weg fort, langsam, stockend, unsicher. Freude war ihm nicht anzusehen.
     
    E N D E
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher