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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
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    Er stellte seinen Wagen auf einem kleinen Parkplatz ab, seitlich der gepflasterten Straße, die man mit angemessener Geschwindigkeit befahren musste, wollte man bei den zahlreichen Kuhlen nicht riskieren, den Auspufftopf zu beschädigen. Ein-, zweihundert Meter weit lagen noch Weiden links und rechts, dann folgten Häuser und Hofstellen mit gepflegten Vorgärten. Das kleine Dorf schien nur aus dieser einen Straße zu bestehen. Er wollte den Weg bis zur Gaststätte zu Fuß zurücklegen. Sie lag direkt am Kanal, dem er folgen würde. Zwar konnte er nicht genau wissen, ob er zu früh oder zu spät war, ja nicht einmal, ob sein Kommen überhaupt von Erfolg gekrönt sein würde. Doch er war wie besessen von seinem spontan gefassten Entschluss.
    Jetzt war er in Eile und musste zusehen, dass er den Zielort erreichte. Wenn die Boote vorher schon den Kanal in entgegengesetzter Richtung fahren würden und ihn passierten, wäre es zu spät. Das war nicht schlimm, es würde sich eine neue Möglichkeit ergeben. Im Moment spukte jedoch nur eines durch seinen Kopf: Jetzt! Niemand wird ahnen, was du vorhast. Er schon gar nicht!
    Auf der Straße begegnete ihm nur ein einziger Passant, er grüßte mit »Moin«, blickte dabei zu Boden und setzte seinen Weg fort. Am Kanal war es ruhig. Er zumindest bemerkte niemanden, ging an den Meerbuden vorbei, die sich hier wie an einem Bindfaden aufreihten. ›Meerbuden‹ nannte man die meist selbst gebauten Wochenendhäuser. Keines glich dem anderen. Einigen sah man die vielen Jahre an, die sie bereits hier standen. Die Häuschen dienten als Domizil für ihre Besitzer, die in Norden, Emden, Aurich oder weiter entfernten Orten lebten, dort arbeiteten und am Wochenende hierher ans Große Meer kamen, um sich vom Alltagsstress zu erholen. Vor der in Eigenarbeit errichteten Meerbude auf der Terrasse sitzen, grillen, ein gepflegtes Bier oder einen blutroten Wein trinken. Tagsüber angeln, paddeln, rudern, segeln, surfen – der Möglichkeiten, sich hier die Zeit zu vertreiben, gab es vielerlei. So konnte man es aushalten.
    Er schritt kräftig voran. Er wusste, wohin er wollte. Die Meerbuden und ihre Besitzer interessierten ihn momentan nicht. Er wollte ans Große Meer, so nah wie möglich heran an die weite Wasserfläche des größten ostfriesischen Binnensees. Er hatte eine Stelle im Kopf, an der er unentdeckt bliebe und dennoch Sicht auf das Wasser und die Kanaleinfahrt hätte. Es gab Vogelkojen und Ansitze im Schilf, das wusste er, einer davon lag günstig, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er hatte allerdings nicht vor, irgendein Geflügel zu erlegen.
    Es war nicht einfach, an diesen Ort zu gelangen, denn während es am Nordostufer Restaurants und Campingplätze gab, die direkt am Großen Meer standen, war hier am Westufer kein ordentlicher Weg zu finden, der bis ans freie Wasser reichte, zumal sich der Ansitz an der anderen Seite des Kanals befand, der westlich des Sees verlief. Er würde ein Boot brauchen, doch das war kein Problem, hier lagen so viele. Er könnte eines ausleihen, ohne dass der Besitzer dahinterkäme, wenn er es nach seiner Rückkehr wieder ordnungsgemäß anleinte. Außerdem kannte er einen hiesigen Landwirt, der konnte viel von der Landwirtschaft, der Jagd und allerhand mehr über diesen Landstrich erzählen. Wenn es die Zeit erlaubte, ging jener auch angeln. Aus diesem Grund hatte der Bauer hier an einem kleinen Holzsteg ein grünes Kunststoffboot liegen, das er nutzte, um fischen zu gehen oder um für die Entenjagd auf die andere Seite des Kanals in die Schilfzone zu gelangen.
    Dieses Boot würde er kurz – und ohne den Landwirt zu fragen – ausleihen. Er würde ein Stück weit den nordwärts verlaufenden Kanal hochrudern und das Boot dort liegen lassen. Anschließend müsste er sich durch den Schilfstreifen kämpfen. Es war gut, wenn niemand unterwegs war, er durfte kein Aufsehen erregen. Andererseits fielen hier Männer, die mit Booten über die Kanäle schipperten, angesichts der vielen Touristen, Angler und Wassersportler nicht weiter auf.
    Er brauchte keine zehn Minuten, um den Kanal ein wenig aufwärtszufahren und zur anderen Kanalseite zu gelangen. Er zog das Boot in eine kleine Einbuchtung, wo ein Graben in den Kanal mündete. So war es, zwischen Schilf und Weidengebüsch, kaum zu entdecken. Er setzte seinen Weg fort, erreichte den Schilfstreifen, watete durchs Wasser und war schließlich an dem Platz angekommen. Er kannte einige der ostfriesischen
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