Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
Vom Netzwerk:
Informationen zu Tschernobyl an die Bevölkerung gelangen zu lassen! Zu diesem Zeitpunkt wurden hier längst Eltern mit kleinen Kindern gewarnt, im Sandkasten zu spielen!«
    »Tatsächlich? Und haben die Japaner über Fukushima sofort und ohne zu zögern alles wahrheitsgetreu berichtet? Dass ich nicht lache! Nach Monaten kommt heraus, dass bereits zigtausende Liter radioaktives Wasser in den Ozean geflossen sind. Lecker Thunfisch, sag ich da! Drei Monate später erfährt man, es hat womöglich in zwei weiteren Reaktorblöcken Kernschmelzen gegeben. Ha! Mag sein, dass wir über Tschernobyl nie alles erfahren haben. Aber denken Sie, es war in Fukushima anders? Oder Harrisburg, Sellafield? Und Japan, die USA und Großbritannien gehörten meines Wissens nie dem Ostblock an, waren nie sozialistisch!« Stöwers sackte nach diesem Ausbruch erneut in sich zusammen und beendete das Thema: »Jedenfalls haben diese Aktivisten, zu denen Meinertz gehörte, nach damaliger Rechtsprechung ungesetzlich gehandelt. Wir haben das genauso gesehen.«
    »Einige schon, andere nicht«, rief Ulferts dazwischen.
    »Erzählen Sie mir nichts«, entgegnete Stöwers mit schwacher Stimme, »wir konnten nicht machen, was wir wollten! Das MfS hatte seine Leute überall, auch bei den Betriebskampfgruppen, der Volkspolizei, den Grenztruppen, der NVA. Überall waren Verbindungsoffiziere vor Ort … aber was ich eigentlich sagen wollte, die IM wurden selbst überwacht. Es gab Sicherheitsüberprüfungen auf jeder Ebene. Wir hatten – um Ihnen das mal klar und deutlich zu sagen – Schiss, selbst ins Visier zu geraten, wenn wir nicht so arbeiteten, wie man das erwartete, vor allem der Führungsoffizier.«
    Tanja Itzenga und Ulfert Ulferts sahen sich an. Einerseits lebte Stöwers offensichtlich gedanklich immer noch in vergangenen Zeiten. Hopfen und Malz verloren. Andererseits hatte er nicht mit allem unrecht.
    »Meinertz hat nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaftanstalt Schwerin – Monate nach der Wende wohlgemerkt – nie wieder richtig Fuß gefasst. Es gab die Amnestie, aber, aus welchen Gründen auch immer, ist er nicht unmittelbar entlassen worden. Vermutlich hatte das formale, bürokratische Gründe. Versetzen Sie sich mal in dessen Lage: Erst die Haft aus politischen Gründen und dann kommt die Wende und man darf immer noch einsitzen … Er war traumatisiert, wundert Sie das? Und als sich irgendwann die Tore der Haftanstalt auch für ihn öffneten? Was war da? Sein Job war weg, das Land war komplett umgekrempelt. Seine Frau hatte sich noch zu DDR-Zeiten von ihm losgelöst, er stand ohne alles da. Außerdem will ich gar nicht wissen, was er in diesem Knast erlebt hat. Zimperlich wird man da sicher nicht gewesen sein!«
    Stöwers hielt den Kopf gesenkt. »Ich war nie dort«, nuschelte er vor sich hin, »aber man war sicher nicht zimperlich, nein.«
    »Ralf Meinertz hat mit seinen Schüssen kriminell gehandelt, ganz klar. Er hat das Leben von Menschen gefährdet – schließlich hätte er Sie oder jemand anderen töten können. Aber die Veranlassung, Herr Stöwers, die muss man auch sehen. Und am Ende hat er sich erschossen! Ohne Ihr damaliges Bespitzelungswerk wäre es zu alldem nie gekommen!« Tanja Itzenga warf Ulferts einen bösen Blick zu, weil sie das, was Ulferts von sich gab, für zu wenig differenziert hielt.
    »So kann man das nun wirklich nicht sagen. Das ist zu simpel! Dass seine Frau weg war, dass er keinen Job gefunden hat, nach der Wende, dafür kann ich nichts! Man muss doch den gesamten Lebenslauf sehen, nicht nur diese Episode!«
    Ulferts setzte sich wieder, ihm verging die Lust.
    »Episode!« wiederholte er verächtlich.
    Er faltete ein handbeschriebenes Blatt Papier auseinander. »Übrigens hat Ralf Meinertz in seinem Abschiedsbrief Folgendes geschrieben: ›… bis zu dem Tag, wo die Ruderer ins Meerhaus kamen. Das Gesicht war mir immer präsent. Der ist mir sogar im Traum erschienen. Als ich Stöwers sah, war das wie ein Stich mitten ins Herz. Das konnte kein Zufall sein, das war ein Wink des Schicksals‹! Wissen Sie, was er gemacht hat, nachdem er Sie wiedererkannte? Er hat sich ins Auto gesetzt und ist direkt zu diesem Ansitz im Schilf gefahren, hat auf das Ruderboot gewartet. Plötzlich war er besessen von der Idee, Ihnen noch einmal richtig eins auszuwischen! Rachegedanken, die er nicht zügeln konnte.«
    Stöwers starrte den Kommissar ungläubig an, was sollte er dazu sagen?
    Ulferts fuhr fort: »Und die Pistole,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher