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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß
Autoren: Hardy Pundt
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Bier oder ein Essen auswärts leisten zu können, wobei das Angebot in dieser Gastwirtschaft überschaubar war.
    Zwei Tische waren besetzt. An einem spielten vier Männer Doppelkopf, tranken Bier und aßen kalte Frikadellen mit Senf. An einem anderen gönnte sich ein Pärchen einen strammen Max. An der Theke standen zwei Männer, der eine etwas größer und breiter als der andere. Hinter der Theke spülte der Wirt Gläser. Man sah ihm die vielen Jahre in dieser Kneipe an – die Haare waren ergraut und sein Gesicht schien eine ähnliche Farbe angenommen zu haben. Natürliches Licht war rar, die Sonnenstrahlen hatten angesichts der Verschattung durch die anderen Gebäude der Straße und der ungewaschenen und durch betagte Gardinen verhängten Fenster keine Chance, ins Innere zu gelangen.
    Ab und zu blickte der Wirt auf, um zu sehen, ob ein Gast etwas wünschte. Wenn sein Blick auf die beiden Männer fiel, die seitlich von ihm standen und bei denen er wieder einmal das Vergnügen hatte, zuhören zu können, schienen sich Sorgen bei ihm breitzumachen. War das Zuhören diesmal kein Vergnügen? Was hatte er in all den Jahren nicht schon an Geschichten gehört. Betrunkene sagen die Wahrheit, so hieß es. Zwar hatten ihm viele ihr Herz ausgeschüttet, am Realitätsgehalt so mancher Geschichte zweifelte er jedoch nicht nur einmal. Betrunkene versuchten vielleicht, die Wahrheit zu sagen, die Zunge war aber eben auch lockerer und der Geist getrübt vom selig machenden Gesöff. Fakten konnten verdreht und Erlebnisse in einem günstigen Licht dargestellt werden. Man machte etwas passend, nach ein paar Bieren, vielleicht unterbrochen von dem ein oder anderen Kurzen. Passend zur Situation, die fröhlich, traurig, oder irgendwo dazwischen sein mochte, je nachdem, was der- oder demjenigen passiert war auf dem Weg zwischen Kreißsaal und Grab, auf dem die Kneipe eine weitere Station war mit dem Unterschied, dass man sie des Öfteren besuchte.
    In solchen Gaststätten waren Wirt oder Wirtin Gesprächspartner, wenn es keinen anderen gab, der zuhörte. Die konnten nicht einfach gehen, und die Abwehr ›Ich habe noch zu tun …‹ wäre unhöflich gegenüber dem Gast, der grundsätzlich König war. Das Schicksal eines Wirtes war das Ausharren hinter der Theke und das Zuhören.
    Die beiden Männer brauchten den Wirt indes nicht. Sie unterhielten sich und ein Außenstehender hätte das Gespräch mit Attributen wie ›intensiv‹ oder ›anregend‹ beschrieben. Die Mienen verrieten unterschiedliche Meinungen. Während einer lässig, jedoch mit ernstem Gesicht an der Theke stand, halb auf diese aufgelehnt und sich an seinem Bier festhaltend, sah sich der andere sorgenvoll um, blickte mal zu seinem Gesprächspartner, mal zum Wirt, mal leer in den Raum, ohne Fixpunkt. Er knabberte manchmal an der Unterlippe, was Nervosität signalisierte.
    »Mann, Mann, Mann, und ich dachte all die Jahre, man könne sich auf dich verlassen. Aber da hört sie eben auf, die Freundschaft – beim Geld … Aber nee, mein Lieber. 2.500 Mark? Ich ärgere mich tierisch, dass wir das nicht schriftlich gemacht haben. Es waren 2.500 Euro, somit 5.000 Mark, keinen Pfennig oder Cent weniger!« Siebold de Vries sah Gernot Jande kritisch an. Er hatte ein paar Pils intus, man sah es an den glasigen Augen und, wenn man ihm nahe kam, roch man es auch. Er fügte hinzu: »Ohne Zinsen, ja? Ohne Zinsen kannst du es mir zurückgeben. Das nenne ich Entgegenkommen, nach all den Jahren. Ich halte mich an Abmachungen!«
    »Ich doch auch. Es ist aber einfach nicht wahr. 2.500 waren es, aber D-Mark, verstehst du? Es ist ewig her, aber du kannst doch nicht vergessen haben, dass wir das damals vor der Währungsreform ausgehandelt haben.«
    »Währungsreform! Wie klingt das denn?«, warf de Vries spöttisch ein.
    »Na ja, war’s doch … Du hast mir damals nicht fünf Tausender in die Hand gedrückt. Mann, so viel Asche! Das weißt du genauso gut wie ich. Es waren fünf Fünfhunderter. Siebold, als damals mein Job weg war, brauchte ich das Geld. Ich musste eine Schuld begleichen und, na, man muss auch ein bisschen was zum Leben haben. Ich hatte nicht einmal das, was der Politiker mit diesen dubiosen Theorien in seiner Zeit als Berliner Sozialsenator als notwendig berechnet hat, diese 3 Euro 98 am Tag. Oder war es weniger? Ist ja völlig egal. Mein Job war unwiederbringlich weg, du erinnerst dich? Ich war irgendwann abends bei dir, weil ich die Kohle brauchte. Dringend. So schnell was
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