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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf
Autoren: D Loher
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dieses Millionnenrennen von Montlhéry gewann.
    Das war 1937, und es machte ihn zu einem französischen Nationalhelden.
    Aber das war nicht alles.
    Er schaffte es mit seinem Delahaye, ein Jahr darauf, das Rennen in Pau zu gewinnen. Die Favoriten waren klar die Deutschen gewesen, die zu der Zeit in allen großen Rennen unbesiegt waren und beinahe schon automatisch die ersten Plätze belegten. Dann kam Dreyfus. Dreyfus raste dermaßen, und er raste dermaßen elegant, perfekt, leicht und unübertroffen, er gewann das Rennen sogar mit Abstand. Niemand hatte damit gerechnet, alle waren völlig verblüfft, die Zuschauer genauso wie die Fahrer.
    Das hieß, die Nazis waren nicht unbesiegbar! Das hieß, man musste sich nur trauen, und man konnte es schaffen, sie zu schlagen. Dreyfus war nicht nur ein französischer Held, er war ein europäischer Held, er war ein Held für alle Gegner des Nationalsozialismus, und er war außerdem noch ein jüdischer Held, denn er ließ die antisemitische Propaganda ziemlich alt aussehen.
    Dann erklärten die Deutschen den Zweiten Weltkrieg, und Dreyfus musste zum Militär. Er hatte angefangen, mit dem Ehepaar Schell zu arbeiten, die einige Delahayes besaßen; die Rennen wurden von Lucy Schell gemanagt, einer energischen Irin. Ihr gelang es mit viel Glück und Schläue, eine Sondergenehmigung zu bekommen, die es Dreyfus erlaubte, in den USA zu starten, beim legendären Indy 500. Das war 1940. Die Genehmigung war nicht uneigennützig, denn die französische Regierung erhoffte sich im Krieg Unterstützung durch die Amerikaner, und Dreyfus sollte Aufmerksamkeit dadurch erregen, dass er bei dem Rennen antrat. Es kam ganz anders.
    René und sein Co-Fahrer Le Begue wurden zehnte bei dem Rennen in Indianapolis, keine große Sache. Er und seine Kollegen waren noch in New York, da kapitulierte Frankreich, und es war für Dreyfus undenkbar, in sein Geburtsland zurückzukehren. Aber er war ja nur zu einer kurzen Reise in die USA aufgebrochen, das heißt, er hatte außer seinem Pass weder Papiere noch Geldmittel noch Kleidung noch alle die Dinge mit, die man für einen längeren Aufenthalt braucht. Nun war dieser Aufenthalt noch dazu von unbestimmter Dauer. Freunde halfen ihm aus. Trotzdem musste er sich so rasch wie möglich um seinen Lebensunterhalt kümmern. Er ergriff die erstbeste Gelegenheit und erwarb zusammen mit einem Freund ein kleines Restaurant in New Jersey; er, der keine, aber wirklich keine Ahnung von Gastronomie hatte und grade mal ein Dutzend Wörter auf Englisch kannte. Kurze Zeit später traten die USA in den Krieg ein, und René meldete sich als Freiwilliger. Er konnte grade mal so radebrechend Englisch.«
    »Mutig war er«, sagte Jordi in die Pause hinein.
    »Was?« »Mutig, mutig war er!«
    »Ja ja, das kann man wohl sagen«, wieder seufzte Bronski leise. Es klang wie das unwillkürliche Geräusch, das ein Mann sich in langem Alleinsein angewöhnt hat und dessen er sich nicht oder nicht mehr oder vielleicht noch nicht bewusst ist. Er hat vergessen, dass er mit sich selber spricht, er hat vergessen, dass er zu sich selber seufzt, dass er für sich selber Geräusche macht, es passiert ihm, und wahrscheinlich beruhigt es ihn. Jetzt ist er erstaunt, dass eine Antwort kommt aus seinem Wohnzimmer, von einer Stimme, die hinter diesen Büchern zu hören, aber deren Besitzer nicht zu sehen ist.
    Während Bronski seufzte und redete, verspürte Jordi das immer dringendere Bedürfnis, den vielen Tee loszuwerden, den er im Lauf des Tages getrunken hatte. Aber er war im Wohnzimmer eingeschlossen, und er wollte Bronski nicht unterbrechen. So geräuschlos wie möglich versuchte er ein Fenster zu öffnen, was wegen der Bücherbretter, die die Scheiben blockierten, nicht einfach war; glücklicherweise waren die Fensterbretter niedrig, wie es in alten Häusern der Fall ist und es gelang ihm, indem er sich auf das Fensterbrett kniete, durch den kleinen Spalt in einem flachen Bogen in den Garten hinauszupinkeln. Draußen regnete es.
    »Die Amis steckten ihn in ein spezielles Ausbildungslager, sie nannten es Camp Ritchie, es unterstand dem militärischen Nachrichtendienst, dorthin kamen alle Ausländer, die man im Krieg einsetzen wollte, und zwar in besonderer Mission. Dreyfus, der die Sprache konnte, wurde darauf vorbereitet, italienische Kriegsgefangene zu befragen.
    Na ja, man hat ihn wirklich nach Übersee geschickt, aber als seine Einheit ankam, gab es schon einen Waffenstillstand mit Italien, er hat
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