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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf
Autoren: D Loher
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dann ein Transportregiment geleitet und als Übersetzer gearbeitet, er wurde Major Sergeant. Bei Kriegsende ist er sofort nach Frankreich gefahren und hat seine Geschwister gesucht. Er sammelte sie ein und brachte sie in den folgenden Jahren alle in die Staaten. Er und sein Bruder Maurice wurden eine Institution mit ihrem Restaurant – sie sind nach Manhattan gezogen und haben es ›Le Chanteclair‹ genannt. Und sie arbeiteten mehr als ein Vierteljahrhundert dort, jeden verdammten Tag. René hat das Kochen und Bewirtschaften so ernst genommen wie vorher das Rennfahren. Er muss der zuvorkommendste Gastgeber gewesen sein, den man sich wünschen kann.«
    Es herrschte Stille auf beiden Seiten der Bücherwand.
    »Und Chou-Chou?«, rief Jordi in die Küche, nichts Gutes ahnend.
    »Mit den Frauen hatte er kein Glück, scheiße René«, Bronski hatte einen seiner Schlechte-Laune-Anfälle. »Mitten im Krieg kamen die Scheidungspapiere. Sie, Chou-Chou – Sie erinnern sich, dass sie es war, für die Dreyfus katholisch wurde – ?«
    »Ja ja.«
    »Also sie ließ sich scheiden.«
    Bronski fluchte leise vor sich hin, kein Seufzen mehr, tiefe Ungehaltenheit der menschlichen Untreue und Bosheit gegenüber.
    »Scheiße noch mal, so ein Biest, sie brauchte seine Einwilligung nicht; es genügte während der deutschen Besatzung, anzugeben, dass er Halbjude war. Das war ein Scheidungsgrund.«
    »Was für eine Schlampe –«, Jordi stand auf und sah über die Bücher, wo Bronski steckte. Bronski lugte über den Bücherrand, in beiden Augenpaaren flackerte Empörung.
    »Eine monströse Schwanzverschlingerin«, pflichtete Bronski bei, ungewohnt deutlich.
    »Eine verhurte, gefickte Missgeburt«, erboste sich Jordi.
    »Sie hatte René nicht verdient«, fügte Bronski hinzu.
    »Natürlich nicht, zum Glück ist er sie losgeworden.«
    »Ja einGlückeinGlückeinGlück.«
    »Es hätte schneller gehen können.«
    »Es war nicht zu spät.«
    »EinGlückeinGlückeinGlück.«
    »Ludermiserables.«
    »Sprechen wir ihren Namen nicht mehr aus.«
    »Nie mehr.«
    »Er hatte kein Glück mit den Frauen.«
    »Sie ist nicht wert, dass man auf ihren Hintern wichst«, Jordi konnte sich nicht beruhigen bei dem Gedanken an den verratenen René.
    »Ja.«
    »Ja.«
    »Ist sie nicht –.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Sprechen wir ihren Namen nicht mehr aus.«
    »Denken wir nicht mehr an sie.«
    »René lebe hoch!«
    »Ganz genau, René lebe doppelhoch.«
    »Dreifachhoch.«
    »Dreifachhoch.«
    Beide setzten sich, jeder auf seine Seite, und verfielen für kurze Zeit in brütendes, wütendes Schweigen. Sie dachten über die Ungerechtigkeit nach, mit der die Liebe verteilt oder verweigert wurde, und sie gedachten auch der schwanzfressenden Mösen, die sie selber kennengelernt hatten.
    Bronski begann wieder zu seufzen. Jordi hielt es nicht mehr aus.
    »Bronski«, rief er, »Matteo –.«
    »Ja?«
    »Entschuldigen Sie, aber – Sie seufzen! Sie seufzen, Sie denken wahrscheinlich, Sie sind allein, aber ich bin hier, ich bin hier, ich höre Sie sehr gut!«
    »Mhm«, machte Bronski und was dann zurücktönte, war ein tiefer Seufzer.
    Jordi horchte.
    »Dann kam Peggy«, ertönte es nach einer Weile aus der inzwischen dunklen Küche.
    »Ein Happy-End«, sagte Jordi hoffnungsvoll.
    »Ich glaube, Peggy war Renés große Liebe. Ja, bestimmt. Sie kam hin und wieder in das Restaurant; sie war Tänzerin gewesen, und jetzt hatte sie einen kleinen Modeladen ein paar Ecken weiter. Es stellte sich heraus, dass sie ihre Kindheit in Nizza verbracht hatte wie René, ohne dass die beiden sich je begegnet wären. Aber nun lernten sie sich kennen.«
    Bronski sprach nicht weiter.
    »Was«, ließ Jordi sich hören, »wie weiter?«
    »Sie war krank, Morbus Hodgkin, eine seltene Krebsform, die die Lymphdrüsen befällt. Die beiden wurden an einem Tag im Januar getraut, und nicht mal zwei Jahre später, im Oktober des darauffolgenden Jahres, starb Peggy.«
    Stille, es gab dazu nichts zu sagen.
    »René hat nie mehr geheiratet. Er lebte noch 43 Jahre und starb 1993 in New York, nachdem er ein Mal noch nach Frankreich gekommen war, um das Jubiläum von 50 Jahren Großer Preis von Monaco zu feiern und den Sieg von Montlhéry. In Frankreich ist er immer noch unvergessen. Ein Held. Verdientermaßen.«
    Jordi räusperte sich.
    »Es war schön, ihn kennenzulernen.«
    Daraufhin schwiegen die beiden so lange, dass man hätte meinen können, sie hätten die Gegenwart des anderen vergessen, aber dann sagte
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