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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf
Autoren: D Loher
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Asphalt).
    Walter hat mich gefragt, ob ich verliebt bin. Das ist schön von ihm. Er hat
nicht
gefragt, ob ich ein Verhältnis habe.
    Trotzdem konnte ich keine Antwort geben.
    Am Abend sagte ich zu ihm, was heißt das genau?
    Er beschrieb es mir. Ich habe kein Verlangen danach, Elise zu berühren; gut, ich würde gern mit ihr schlafen, aber dazu dürfte ich sie a) überhaupt nicht kennen oder b) viel besser und länger als jetzt. Eine halbe Vertrautheit ohne Freundschaft macht jedes sexuelle Bemühen schäbig und klein. Was liebevoll sein sollte, wird eine Verrichtung. Wenn ich ein ehrenwerter Henker wäre, würde ich öfters zu Nutten gehen.
    Sehnsucht habe ich nicht, im Gegenteil, ich bin unruhiger in Elises Gegenwart und froh, wenn ich wieder allein bin und keine Schmerzen ihretwegen (der vermeintlichen Ablehnung wegen) empfinde.
    Was ich sonst dazu sagen könnte, kam mir lächerlich vor und kindhaft.
    Also schwieg ich.
    Eines aber ist wahr: ich rieche sie außerordentlich gern. (Nasser Kautschuk!)
    Wenn sie nicht da ist, stelle ich mir ihren Geruch
[fehlt: vor]
, was sehr schwierig, beinahe unmöglich ist, und seltene Male geschieht es, dass mir ein Duft in die Nase fliegt, der Ähnlichkeit mit ihrem hat, und das macht mich von einem Moment auf den anderen bodenlos traurig.
    Gestern beim Spaziergang fragte mich Elise scheinbar nebenher, wie ich von der Kunst leben könne, und wie viel man im Allgemeinen in meinem Beruf so verdiene. Ich freute mich. Erzählte ihr von dem Vertrag mit Adrien Hébrard und seiner Galerie, die mir auf Jahre hinaus alles abnehmen wird, was ich schaffe – die Schwierigkeiten, die dies mit sich bringt, wollte ich ihr für den Moment ersparen –, von der Unterstützung durch den Zoo, dass ich das Kreuz der Ehrenlegion bekommen habe, ich erzählte ihr sogar von meinem Bruder, der die kühnsten und elegantesten Rennwagen konstruiert, die man sich vorstellen kann, und dass er bereits 200 Angestellte hat und im Elsass lebt. (Beschrieb ihr kurz den Elefanten, den ich für ihn formen will, merkte, dass die Figur noch zu unklar ist, brauche wie immer das Material.)
    Das schien sie sehr zu interessieren. Ich lachte im Überschwang, Ettore, ich muss ihm schreiben, wir werden dich besuchen, zusammen.
    In der Woche darauf, einen Tag, bevor wir mit dem Zug kurzerhand die Reise nach Molsheim antreten wollten, ließ sie mir ein Billett zukommen. Sie hat einen Mann kennengelernt, einen Patrick Poxx aus England, London, und sie wünscht keine vertraulichen Gespräche mehr mit mir.
    Vor den Kopf geschlagen.
    Wir hatten überhaupt nie vertrauliche Gespräche.
    Wie soll ich Walter das erklären, wem kann ich meinen Kummer sagen –
    in jeder Hinsicht unzulänglich
    Februar 1914
    Manchmal stelle ich mir vor, dass niemand etwas über mich weiß. (Keiner kennt mich.) Das Einzige, was man je über mich erfahren wird, was übrigbleiben wird, wenn ich gestorben sein werde, sind die Tiere.
    Die Figuren der Tiere.
    Sie, die man losgelöst von mir betrachten kann, aber dann so wird betrachten müssen, als würde man mich selbst sehen oder das, was der beste Ausdruck meines Lebens wäre, der getreueste, ohne Rätsel, ohne Geheimnis (sie sind, was sie sind: die Tiere).
    Ich kann nichts anderes. Und ich kann so wenig. Wie froh ich war, damals in Mailand, als Vater zugeben musste, dass aus mir kein guter Naturwissenschaftler, kein Ingenieur werden könnte, und mich zu Troubetzkoy auf die Akademie gehen ließ.
    [folgen 3 Zeilen durchgestrichen, unleserlich]
    April 1914
    Hoch über den Köpfen werden Käfige mit Schimpansen von Bord getragen, manche tot, ihre langen Arme hängen durch die Gitter der Käfige, die anderen, die lebenden, hüpfen auf den toten Leibern, kreischend, als könnten sie sie dadurch auferwecken, spielt nicht Unsinn, steht auf, wir sind angekommen, seht sie euch an, da sind sie und gaffen, die Belgier!
    Fracht …
[durchgestrichen]
… Geier, kleine Ziervögel, Papageien, Pfauen; Wildkatzen aller Art, Geparden, Löwen, Tiger, auch Zibetkatzen, selten ein Schakal. Kisten: attention chargement vivant, andere: toxique. Paare, drei, vier, manchmal Rudel von Zebras, Antilopen, die mit Stricken aneinandergebunden sind; auch einen Vogel Strauß habe ich gesehen.
    Es kommen auch unexotische Tiere im Hafen an, die Art von Gefangenentransport, die weniger oder gar keine Aufmerksamkeit erregt und nicht aus den Kolonien stammt: Zuchthunde, weiße Pudel für den Zirkus oder einfach nur Kühe und Hühner, Schafe,
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