Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf
Autoren: D Loher
Vom Netzwerk:
Soldaten ohne Beine. Sie lagen in der Marble Hall und schrien und zeigten ihre Stümpfe, manche umwickelt, manche blutig, ohne Verband.
    Sie schrien ganz leise, aber unter großer großer Anstrengung; sie versuchten, so laut wie möglich zu schreien, aber es gelang ihnen kaum ein Flüstern.
    Es ist bitterkalt und es schneit, aber Minerva bestand darauf, dass ich den Mantel selber abholte.
    Also ging ich hin, wieder am Abend. Wieder waren alle da, die Eltern Pellotti hatten in der Halle auf mich gewartet, so schien es. Monsieur Pellotti sagte, »cher Rembrandt, Sie kommen, um Ihren Mantel abzuholen, bitte gerne, suchen Sie ihn doch.«
    Ich sah ihn sprachlos an wie in einem Traum.
    Ich fasste an mein Ohr.
    Madame Pellotti, über meine Schwerhörigkeit im Bilde: »Lieber, Sie haben recht gehört, wir wünschen uns, dass Sie ihn suchen. Und wir werden Ihnen dabei helfen.«
    Roberto, der dazugekommen war, ergänzte: »Wir machen ein Spiel daraus.«
    Clarice: »Ja, lasst uns spielen.«
    In diesem Moment holte Monsieur Pellotti seine Brieftasche aus der Innentasche des Jacketts, nahm ein paar Scheine heraus und legte sie auf den Tisch für die Visitenkarten; an der Größe konnte ich erkennen, dass es sich um 100-Francs-Scheine handeln musste. Es sah so aus, als ob er eine Belohnung ausloben wolle für den, der den Mantel finden würde. Aber im selben Moment wies ich mich innerlich zurecht, ich dachte, ich hätte verleumderische und unchristliche Gedanken, und ich schämte mich fast.
    Minerva trat auf die Galerie hinaus, sie sah zu uns herunter, sie machte keine Anstalten, zu uns zu kommen; sie rief mir von oben zu: »Du kannst das Geld nehmen, mon amant, nimm es, und gehen und dir davon mehr als einen Mantel kaufen, das kannst du, du kannst das Geld nehmen und gehen, denn du weißt nicht, ob du deinen Mantel wiedererkennen würdest, wenn du ihn finden würdest, oder was einer der anderen mit ihm tun würde, wenn er ihn vor dir findet –.«
    Ich war zu verwirrt, um über den Vorschlag nachdenken zu können, stattdessen sagte ich: »Wo ist Alexandre?«
    Minerva beugte sich über die Brüstung und sagte: »Er spielt nicht mehr mit. Du bist allein übrig.«
    Aber da tauchte Alexandre hinter ihr auf und stellte sich, als ob nichts gewesen wäre, neben sie.
    Statt mich zu freuen wartete ich. Ich stand da und wartete. Die anderen sahen mich an und warteten auch. Eine Sekunde fiel in die andere. Ich kannte meine Gefühle nicht mehr. Ich drehte mich um und ging.
    Hinter mir hörte ich ein enttäuschtes »Ooooh!« aus mehreren Kehlen, ich bin nicht sicher, vielleicht nur eine Täuschung aufgrund meiner lymphatischen Inflammation.
    Minerva tat mir leid, in so einer Familie aufgewachsen zu sein.
    Eine Weile dachte ich darüber nach, sie zu befreien.
    Wir trafen uns noch einige Male. Wir liebten uns sogar. Wenn wir das taten, war es besser als miteinander zu sprechen.
    Ich verstand Minerva nicht.
    Statt mich anzufeuern ermüdete mich dieser Zustand aber.
    Noch ermüdender war, sie interessierte sich nicht im Geringsten für mich, für meinen Körper ja, für Kunstauktionen zum Beispiel auch, für alle Arten von Glücksspielen und Lotterien. Fürs Pokern besonders und, am meisten, für die Börse.
    In der kurzen Zeit, seit wir uns begegnet waren, gelang es ihr, ihr Vermögen durch geschickte Käufe und Verkäufe um ein Viertel zu vermehren. Sagte sie mit Stolz. Und ich glaube nicht, dass sie bluffte.
    Mir erschien das viel, und ich zollte ihrem Geschick und ihren Fähigkeiten Respekt.
    Es ging aber nicht weiter.
    Meine Gefühle veränderten sich nicht, ich begehrte sie sehr, während ich mit ihr schlief, vorher und nachher war ich im Grunde gleichmütig (wenn ich sie ansah oder an sie dachte).
    Eines Tages tauchte ein Vincent auf, sie verlor das ohnehin geringe Interesse an mir und sagte, sie sei erkaltet.
    Den Mantel habe ich nie wiederbekommen.
    Viele Tage sind seither vergangen.
    Die Liebe scheint mir ein unmöglicher Zufall. Ich bin nicht geschickt oder träge genug, dass mich dieser Zufall finden könnte.
    Manchmal besuche ich Irène, eine Hure aus der Rue d’Alésia. Sie ist nett. Wir sind nett zueinander, auf eine unkomplizierte Art erfinden wir eine Art von Fürsorge. Gut, das ist übertrieben. Wir benutzen uns. Aber es ist ehrlich. Ich bin zufrieden.
    Zufrieden und unglücklich.
    Ich bin müde. Ich wäre gern ein anderer.
    An manchen Tagen nur Rauschen, lauter, leiser, höher, tiefer, Rauschen.
    Es wird Meer um mich.
    (unter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher