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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf
Autoren: D Loher
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Dezember 1913
    Ich bin mit Elise ausgegangen. Sie lachte mich aus, als ich sagte, was ich mache. Nicht direkt mit einem lauten Lachen, auch nicht mit einem Kichern, das kindisch gewesen wäre und uns beide verlegen gemacht hätte. Aber ich konnte spüren, wie sie zusammenzuckte, und dann lächelte sie mich an und sagte: »Das ist doch kein Beruf!«
    Ich vermutete, sie würde abgestoßen sein von der Vorstellung, die sie zuerst haben musste, ich würde Modelle in meinem Atelier stehen haben, unbekleidet, wie soll sie wissen, dass die Anwesenheit eines weiblichen Körpers, der stundenlang zu einer bestimmten Pose gezwungen ist – zweifellos anstrengend für die Frau –, für mich in der Regel unglaublich langweilig ist, weil ich mich so sehr konzentrieren und beeilen muss, die ganze Figur in einer Sitzung zu modellieren, wenigstens im Groben. (Meine Arbeitsweise: ich will, dass sie nach einer Sitzung wieder verschwinden, den Rest schaffe ich aus dem Gedächtnis.) Freilich gibt es auch Ausnahmen. (Das unterschlug ich.)
    Überlegte kurz, ihr zu sagen, dass meine Modelle nicht ganz nackt sind, sondern ich sie meistens bitten muss, die Strümpfe anzubehalten; der Anblick schmutziger Füße lähmt mich, und das schlechte Ohr rauscht.
    Ich dachte, Elise würde es nicht verstehen oder sie könnte es missverstehen, beschränkte mich also darauf, anzudeuten, dass ich ein Atelier gemietet habe, mit Hugues zusammen, woraus sie wiederum bitte keine falschen Schlüsse ziehen solle – ich glaube, ich verhaspelte mich völlig in diesem Satz –, aber die meiste Zeit nicht dort, im Atelier, sondern im Freien arbeite, und zwar im Zoo, in den Ställen oder außerhalb der Gehege, wo ich die Tiere studiere.
    Ich erzählte ihr von der Gruppe Flamingos, die ich gerade für den Bronzeguss fertiggestellt hatte, ob sie sie sehen wolle.
    Sie sagte, Flamingos? Ja, meinte ich, Wasservögel mit streichholzdünnen Beinen, die in allen Schattierungen rosa bis hellrot gefiedert sind und mit einem dicken, krummen Schnabel fischen, indem sie den Kopf, der auf einem sehr langen Hals sitzt, quasi verkehrt herum ins Wasser hängen und den Schnabel aufklappen wie einen Topf. Ich versuchte, es körperlich darzustellen, was mir nicht gut gelang; ich sagte, Flamingos seien das zarteste Schönste, was man sich über einem Wasserspiegel vorstellen könne.
    Sie sah mich seltsam an, musterte mich verschiedentlich von der Seite und sprach danach nicht mehr viel.
    Meine Absätze fangen alle mit »ich« an (kein gutes Zeichen). Ich muss mehr unter Menschen gehen, mehr mehr.
    Lud Elise ein paar Mal ins Café ein, nur am frühen Abend, um sie den Freunden vorzustellen, und das letzte Mal war sie nett zu mir; offensichtlich haben Hugues und Walter oder Clemente ein Wort für mich eingelegt; Elise lobte meinen tadellosen Anzug. Sie meinte es sicher gut, aber ich fühlte mich wie ein Hund.
    Ich fragte sie, ob sie am Donnerstag zu dem Empfang beim Botschafter Crozier mitkommen wolle. Sie willigte ein.
    Der Abend verlief freundlich. Elise lachte viel und schien sich gut unterhalten zu fühlen. Ich weiß aber nicht, ob es ihr ungelegen war, dass man sie und mich dort zusammen sah und in eine engere Verbindung brachte oder bringen könnte, als ihr vielleicht lieb war.
    Andererseits: Sie ließ sich von mir nach Hause bringen. Ja, sie bat mich darum. Sie verlangte es sogar, um genau zu sein. Fast wäre ein Befehl draus geworden.
    Ich gab ihr nur kurz die Hand, vor ihrem Haus, und ging schnell fort.
    Fühlte mich miserabel. Obwohl sie, möglich, hätte ich sie küssen sollen, ich weiß nicht, mir war nicht danach zumute. Überhaupt nicht.
    Wenn ich ihr beweisen muss, wer ich bin, welchen Sinn hat das.
    Ich bin zerstreut.
    Bin zerstreut.
    Januar 1914
    Dr. V. hat mir neue Tabletten verschrieben wegen des Gehörs. Die Entzündung flammt immer wieder auf, er nennt es nervöse Inflammation. Ich will ihn nicht mehr konsultieren. Es riecht nach Chloroform und Metall und kaltem Rauch bei ihm, sein Assistent hat schwarze Fingernägel, nicht Ränder, es ist vielleicht eine Art Lack oder eine Krankheit?
    (Oder es hat ihm jemand den Klavierdeckel zugeschlagen.)
    V. meint, mehr Bewegung würde die Melancholie vertreiben.
    Selbst bei Regen bin ich draußen, abends stinke ich nach Mist, was will der Mann.
    Manchmal schlafe ich im Elefantenhaus. Nachts die Geräusche, beruhigend, beruhigend.
    Hugues fragt mich, was ich gerne mag. Geruch von nassem Kautschuk, wie bei Reifen (im Regen, auf
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