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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf
Autoren: D Loher
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Büchermauer in die Küche. Bronski, der an diesem Tag schlecht gelaunt schien, rief: »Mir brauchen Sie es nicht zu zeigen, ich kenne das Foto –«, es folgte eine unverständliche Beschimpfung, »selber sollen Sie draufschauen. Was sehen Sie?«
    Jordi, unwirsch: »Dreyfus, schwarz verrußtes Gesicht, halb aufrecht stehend in seinem Wagen.«
    Bronski, ungehalten: »Sie sehen den Gewinner des Großen Preises von Monaco. Dreyfus war 25 Jahre alt und Amateur! Der 35er Bugatti, den er fuhr, war sein eigener. Es war eine Sensation. Gut, das können Sie nicht wissen. Aber jetzt, sehen Sie sich seine Hände an!«
    Jordi stieß genervt Luft aus. »Er hält sie von sich –.«
    »Ja – was noch –.«
    »Nichts noch. Es sieht aus, als halte er das Steuer immer noch in der Hand.«
    »Genau. Was heißt das.«
    »Bronski, woher zum Teufel soll ich das wissen? Bekomm ich einen Preis fürs Raten?«
    Bronskis Kopf tauchte über den Büchern auf, erschrocken.
    »Verzeihen Sie – manchmal –. Verzeihen Sie, ich bin Gespräche nicht gewohnt. – Was ich Ihnen zeigen wollte: Dreyfus trug Handschuhe, und einen Helm, beides hat er auf dem Foto schon abgelegt. Jetzt steht er da wie starr. Um ihn herum der Jubel über seinen Sieg, und er – er kann die Hände nicht bewegen. Sehen Sie doch, er kann sie nicht mehr schließen, er kann nicht einmal die Finger rühren. Trotz der Handschuhe hat er in den dreieinhalb Stunden, die das Rennen dauerte, Blasen an den Händen bekommen. Er hat sich die Haut fast völlig abgeschunden, bis auf das rohe Fleisch; sehen Sie, seine Hände bluten.«
    »Nur vom Hin- und Herdrehen des Lenkrads –.«
    »Nur ist gut … Und noch etwas: der Helm, den er trug, war ein klein wenig zu weit, in den dreieinhalb Stunden, in der Hitze der Geschwindigkeit und durch die heftigen Bewegungen, scheuerte er derart am Kopf hin und her und verklebte mit den Abschürfungen, dass René, als er ihn endlich abnehmen wollte, sich ein Stück vom Ohr weggerissen hat.«
    Jordi konnte die Zärtlichkeit spüren, die in Bronskis Worten schwang, der auf einmal von René, nicht mehr von Dreyfus sprach. Dennoch sagte er:
    »Das erfinden Sie jetzt aber.«
    »Ich erfinde gar nichts«, brüllte Bronski plötzlich wütend, und etwas polterte auf der anderen Seite gegen die Bücher.
    »Ich erfinde gar nichts, ich versuche Ihnen zu zeigen, was für ein feiner Mensch Dreyfus war. Ein ganz dünnhäutiger. Eben. Wörtlich. Er war kein Hasardeur und auch kein Besessener, keiner, der in was für einem Rausch auch immer die Kontrolle verliert. Er wollte die Technik beherrschen und das Risiko gering halten, vielleicht weniger für sich selbst, aber sicher für die anderen. Er hatte ein Gefühl für Rennwagen, er hatte es in seinen Fingerspitzen, er hatte es in den Beinen, er hatte es im ganzen Körper, und mit dem Kopf konnte er es steuern. Er war kein Abenteurer, kein Frauenheld und am wenigsten ein –.«
    »– Spieler«, ergänzte Jordi.
    Bronski schüttelte den Kopf. »Stellen Sie sich vor, Dreyfus war jemand, der es noch nach 45 Jahren für erwähnenswert hielt, dass er einmal mit einem schlimmen Kater zum Rennen antreten musste, 1934 beim Großen Preis von Vichy, so schlecht war ihm, dass er dachte, er müsste das Rennen aufgeben und er würde es nicht ins Ziel schaffen. Aber er hielt durch und seinen Zustand für eine gerechte Strafe. – Dreyfus war wahrlich kein Mann, der meinte, sich durch Exzesse etwas beweisen zu können oder zu müssen.«
    »Sie glauben nicht, dass Frisée das Auto von Dreyfus gewonnen hat?«
    »Beim Pokern? Nie und nimmer. Wenn überhaupt, hat er Dreyfus den Bugatti abgekauft, ganz regulär, und hat später versucht, daraus eine Geschichte zu machen, um sich interessant zu machen.«
    »Oder das Auto.«
    »Dass er es Dreyfus abgekauft hat, wäre immerhin möglich. Bugatti war notorisch klamm, und Anfang der Dreißiger gab es ein paar Jahre – in denen auch Dreyfus zu den Werksfahrern gehörte –, da konnte er seine Fahrer nicht bezahlen, und die bekamen stattdessen ein Chassis, das sie in der Pariser Bugatti-Vertriebsstelle verkaufen lassen konnten. Das hat Dreyfus, soweit ich weiß, gezwungermaßen ein paarmal so gehandhabt.«
    Jordi überlegte.
    »Hm, Frisée ist also ein Aufschneider.«
    »Frisée können Sie meiner Meinung nach abhaken.«
    Jordi betrachtete das Gesicht von René Dreyfus und nickte. Der Mann war ihm sympathisch; er wirkte auf eine unglückliche Art verletzlich und auf eine beruhigende Art
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