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Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne

Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne

Titel: Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
Autoren: Nalini Singh
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    1
    Wenn Du überleben willst, musst Du tiefer in Silentium verankert sein als der Rat, Dein Herz muss zu Eis werden, Dein Geist ein makelloses Prisma. Doch Du darfst eines nicht vergessen: Prismen brechen das Licht, verändern die Richtung des Bekannten und schaffen Splitter der Schönheit. Schaffen letztlich eine eigene Wahrheit.
    – aus einem handgeschriebenen Brief, unterzeichnet mit „Iliana“, Juni 2069
    Die Aktion an sich war denkbar einfach. Der Scharfschütze hatte die genauen Koordinaten bekommen, wusste, an welcher Stelle der Wagen über die verschlafene Landstraße fahren würde, wie viele Personen sich in dem Fahrzeug befanden und wo das Kind saß. Den Informationen zufolge waren dem Kind die Augen verbunden worden, trotzdem gefiel dem Scharfschützen der Gedanke nicht, in Gegenwart eines unschuldigen Wesens zu töten.
    Doch wenn man das Kind den Händen seiner Entführer überließ, würde es unwissentlich zum Instrument des Bösen werden. Würde schließlich sterben. Der Schütze tötete nicht leichtfertig, aber wenn es um die Rettung eines Kindes ging, war er bereit, noch zu weit schlimmeren Mitteln zu greifen.
    „Los“, flüsterte er, das Headset gab den Befehl an die Helfer auf der Straße weiter.
    Unvermittelt brach ein langsam fahrender Lastwagen auf der Gegenspur aus und rammte seitlich das Zielfahrzeug, stark genug, um es von der Straße zu drängen, aber dennoch so vorsichtig, dass niemand zu Schaden kam – sie konnten es sich nicht leisten, das Kind zu verletzen. Mehr noch, sie wollten das Kind nicht verletzen. Doch der Schütze richtete seine ganze Aufmerksamkeit nicht auf das Kind, sondern ausschließlich auf das Ziel, das er im Visier hatte, als der Wagen am Straßenrand stehen blieb.
    Mit einem einzigen Schuss zerschmetterte er die Windschutzscheibe.
    Zwei Sekunden später waren der Fahrer und sein Beifahrer tot, beide hatten ein Loch in der Stirn. Der Schütze hatte Spezialkugeln verwendet, die im Körper stecken blieben, um die Passagiere auf der Rückbank nicht zu gefährden.
    Sofort gingen die beiden hinteren Wagentüren auf, und zwei Männer sprangen heraus. Einer von ihnen sah hoch zum Versteck des Schützen in den ausladenden Ästen einer alten Kiefer. Der Scharfschütze spürte das Eindringen einer fremden Macht in seinen Kopf, aber der Mediale hatte seine telepathischen Kräfte zu spät eingesetzt. Er konnte die Kugel, die ihn im Hals traf, nicht mehr aufhalten. Seinen Helfer warf ein Treffer in der Brust zu Boden, noch bevor er den zweiten Schützen lokalisiert hatte.
    Der Scharfschütze war bereits mit der Waffe in der Hand auf dem Weg nach unten. Er hinterließ keine Spuren, aus denen jemand auf seine Identität hätte schließen können, und fasste auch den Wagen nicht an. „Konnten sie noch Alarm geben?“, fragte er den unsichtbaren Beobachter.
    „Wahrscheinlich. Noch ist der Weg frei, aber wir sollten uns beeilen – wenn der Rat Teleporter einsetzt, ist die Verstärkung bald da.“
    Der Schütze sah in das Wageninnere. Auf dem Rücksitz saß ein kleiner, knapp viereinhalbjähriger Junge. Nicht nur seine Augen waren verbunden, in den Ohren steckten Stöpsel, und die Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt. Das Kind war beinahe von all seinen Sinnen abgeschnitten.
    Der Schütze knurrte und wurde wieder zu Dorian, die eisige Kontrolle verschwand, und der natürliche Beschützerinstinkt gewann die Oberhand. Obwohl er nicht die angeborene Fähigkeit besaß, sich in eine Raubkatze zu verwandeln, war der Leopard ein Teil von ihm. Und die gefühllose Behandlung eines wehrlosen Kindes weckte den Zorn des Tieres. Er holte den starren, verängstigten Jungen aus dem Wagen und hielt ihn sanfter in den Armen, als man einem Scharfschützen zugetraut hätte. „Ich habe ihn.“
    Aus dem Nichts tauchte ein weiterer Wagen auf. Ein schnittiges, silbernes Gefährt, eine ganz andere Kategorie als der nun verlassene Lastwagen, obwohl der Fahrer derselbe war. „Lass uns abhauen“, sagte Clay und richtete den Blick seiner mattgrünen Augen nach vorn.
    Dorian glitt auf den Rücksitz, setzte die Maske ab und legte das Gewehr zur Seite, bevor er die Fesseln des Jungen mit dem Taschenmesser durchschnitt, das er stets bei sich trug. Plötzlich sah er Blut an seinen Fingern. Er zog die Hand schnell zurück, verletzte sich selbst dabei. Bei nochmaligem Hinsehen wurde ihm allerdings klar, dass er nicht etwa den Jungen unabsichtlich geschnitten hatte – das Kind musste stundenlang an
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