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Buch Der Sehnsucht

Titel: Buch Der Sehnsucht
Autoren: Anselm Gruen
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Hoffnung verbinden sich im Glauben an die Auferstehung. Das bedeutet auch, schon jetzt aufzustehen aus dem Dunkel in das Licht, aus der Enge in die Weite, aus der Starre in die Lebendigkeit, aus dem Grab in das aufrechte Stehen und Gehen. Meine Sehnsucht und meine Hoffnung beziehen sich auf eine menschliche Gemeinschaft, in der Gottes Liebe herrscht und nicht der Profit. Sie beziehen sich darauf, dass wir in seiner Herrschaft Freiheit erfahren vom Missbrauch der Macht. Ich hoffe und ersehne, dass das Reich Gottes in jedem Einzelnen ankommt, damit er ganz er selbst werden kann, damit er frei wird von der Herrschaft des eigenen Über-Ichs. Ich hoffe und ersehne, dass dieses Reich in einem neuen Miteinander sichtbar wird. Und dass dieses Reich auch in der Beziehung zwischen Mensch und Kosmos sichtbar wird, in einer Schöpfung, die die Schönheit des Schöpfers widerspiegelt. Meine Sehnsucht vertraut auf eine neue Spiritualität, die die Menschen berührt und mit ihren inneren Quellen in Berührung bringt. Die sie aus dieser inneren Quelle leben lässt, damit sie geben können, ohne sich zu verausgaben, damit sie an dieser neuen Welt arbeiten, ohne zu resignieren und mitten in der Welt etwas vom Geschmack Gottes verbreiten. Ich sehne mich auch nach einer Sprache, die verbindet, einer Sprache, die aufweckt, einer Sprache, die ein neues Miteinander ermöglicht, einer Sprache, die das Unaussprechliche ausspricht, das Unhörbare hörbar macht. Ich wünsche mir eine Sprache, die Leben weckt und aufrichtet, die ermutigt, klärt und befreit. Ich hoffe auf eine Menschengemeinschaft, die einen Raum schafft, in der Gebeugte sich aufrichten, Aussätzige sich annehmen, Gelähmte gehen, Blinde sehen und Erstarrte und Tote wieder aufstehen zum Leben. Und ich glaube, dass in unserer so unerlösten Welt Heil und Erlösung wirksam werden, unsere Wunden geheilt und zu Perlen verwandelt werden und dass Gott unsere Verletzungsgeschichte verwandelt in eine Geschichte des Aufgebrochenwerdens für das Heil. Ich hoffe auf eine neue Erde und einen neuen Himmel, auf eine neue Schöpfung, nicht erst nach meinem Tod, nicht erst am Ende der Welt, sondern jetzt schon. Darauf, dass Gott auch in unseren Tagen Neues schafft, ein neues Miteinander, einen neuen Ausgleich zwischen den Menschen. Ich hoffe, dass wir zu uns selbst finden, zu seinem wahren Selbst, zu dem unverfälschten und ursprünglichen Bild, das Gott sich von jedem gemacht hat. Ich hoffe, dass dadurch Hoffnung in den Herzen der Menschen geweckt wird, Versöhnung, Frieden und Liebe. Ich hoffe, dass die Menschen, die sich selbst entfremdet sind, eine Liebe erfahren und leben, die nicht mehr vermischt ist mit Besitzansprüchen, eine Liebe, die strömt und die Menschen verzaubert, die einen neuen Geschmack des Lebens hinterlässt. Ich hoffe, dass die Liebe nicht erkaltet, sondern überströmt. Ich hoffe auf eine Liebe, die den Tod besiegt.

    V. AUSKLANG

    DAS SCHÖNSTE AM ENDE

    Dass die Sehnsucht uns neue Augen für das schenkt, was wir wahrnehmen, zeigen mir die wunderbaren Verse, die der türkische Dichter Nazim Hikmet geschrieben hat: 

    „Das schönste der Meere ist jenes, das wir noch nicht sahen.
    Das schönste der Kinder ruht noch in bergender Wiege.
    Die Tage, die schönsten sind jene, die wir noch nicht lebten.
    Und, was ich dir sagen möchte, das Schönste, ich habe es noch nicht gesagt."

    Wer mit den Augen dieses türkischen Lyrikers die Welt sieht, für den hält die Welt immer neue Überraschungen bereit. Er wird sich nie gelangweilt in den Sessel zurücklehnen. Er sieht in allem das, was er noch nie erblickt hat. Er sehnt sich danach, das Unsichtbare zu sehen, das noch nicht Erlebte zu erleben und das Ungesagte zu sagen. In allem, was er erlebt, erfährt er ein Versprechen, erkennt er eine Verheißung. Die Verheißung des noch nie Dagewesenen. Für mich gibt es kein besseres Ende eines Buches als die letzten Worte dieses kurzen Gedichts: „Und, was ich dir sagen möchte, das Schönste, ich habe es noch nicht gesagt." Ich halte das Schönste nicht zurück. Ich kenne es einfach noch nicht. Ich weiß nur, dass es das Schönste gibt. Und in allem Schreiben und Reden strecke ich mich nach diesem Schönsten aus, nach dem Wort, das die Augen öffnet für das Geheimnis Gottes, nach dem Wort als einem Schlüssel, das die Wirklichkeit so aufschließt, dass das Geheimnis und die innere Schönheit Gottes darin aufleuchten. Für mich bedeutet Schreiben die Suche nach dem
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