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Buch Der Sehnsucht

Titel: Buch Der Sehnsucht
Autoren: Anselm Gruen
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erfahren. Jakob, der sehnsuchtsverrenkte, ist der von Gott verwundete Mensch. Aber gerade mit seiner Wunde, mit seiner hinkenden Hüfte, wird er zur Quelle des Segens für viele Menschen. Indem Gott vieles an uns zerbricht, an dem wir uns festklammern, führt uns die Sehnsucht, die nicht zerbrochen werden kann, an den Ort der Gnade, an den Ort, an dem wir die zärtliche Liebe Gottes erfahren, an dem uns seine Liebe umhüllt. Und sehnsuchtsverrenkt wie Jakob werden, auch wir zu einer Quelle des Segens für diese Welt. Nelly Sachs gibt einen Gedichtband heraus mit dem Titel „In den Wohnungen des Todes". Allein aus der Nähe des Todes kann die Sprache der Sehnsucht wachsen. Die Sehnsucht bezwingt den Tod. Sie zerbricht nicht am Tod, sondern steht für den Neuanfang. „Alles beginnt mit der Sehnsucht." - So sagt es Michael in „Eli", einem Mysterienspiel vom Leiden Israels. 

    Alles, was geschaffe n ist, ist mit dem Stoff der Sehnsucht gefüllt. Von Sehnsucht erfüllt überwindet alles Geschaffene den Tod. Noch vor der Geburt beginnt unser Leben mit der Sehnsucht. Und sie endet nicht im Tod: Hier erfährt sie erst ihre Erfüllung. Denn sie schafft das ga nz und gar Neue, die Begegnung mit dem, der alles neu macht.

    AUSGESPANNT - ZWISCHEN DIESSEITS UND JENSEITS

    Enttäuschungen erlebt unausweichlich jeder einmal. Und jeder kennt das Gefühl, wenn ein Wunsch unerfüllt bleibt, wenn eine Hoffnung sich als Seifenblase entpuppt. Diese Erfahrung gehört zum Leben. Am Ende kann die realistische Einsicht stehen: Es ist nicht schlimm, wenn unsere Sehnsüchte nicht in Erfüllung gehen. Sie zielen ja über diese Welt hinaus und werden letztlich erst im Tod ganz erfüllt werden. Ganz gleich ob unser Verlangen nach Gelingen des Lebens, nach Erfolg, nach Heimat und Geborgenheit, nach Liebe und Freundschaft hier in unserem Leben erfüllt wird oder nicht, es verweist uns letztlich immer auf etwas, was jenseits der permanenten Erfüllbarkeit liegt. Trotzdem gehören Wünsche und Sehnsüchte zum Leben. Die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach hat aufgezeigt, was hinter einer hoffnungslosen Bescheidung liegt: „Nicht die sind zu bedauern, deren Sehnsüchte nicht in Erfüllung gehen, sondern diejenigen, die keine mehr haben." Marie von Ebner-Eschenbach ist überzeugt: Wer keine Sehnsucht hat, weiß nicht, was Leben heißt. Leben ohne Sehnsucht wird starr. Es verliert seine Spannung.
    Ohne Sehnsucht wird das Leben sinnlos. Es gibt nichts mehr, auf das der Mensch noch zustreben könnte. Wer kein Ziel mehr hat, wird zwar weitergehen, aber orientierungslos sein. Er könnte ebenso gut stehen bleiben. Ob er geht oder nicht, ob er strebt oder nicht, ob er das Tempo beschleunigt oder nicht - alles ist gleichermaßen ohne Sinn. Das Wesen des Menschen besteht darin, seine Seele auszuspannen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, zwischen den beglückenden und zugleich enttäuschenden Erfahrungen dieser Welt und der Sehnsucht nach absoluter Liebe und Lebendigkeit. Nur indem er das tut, kommt er wirklich zu sich.

    ERFÜLLUNG IN DER EWIGKEIT

    Wir machen in unserem Leben immer wieder die Erfahrung der Begrenztheit, des Scheiterns, der Vergänglichkeit: Unser Glück ist flüchtig, Liebe scheitert, unser Leben ist endlich. Und doch: „Alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit", hat Nietzsche gedichtet. Die Sehnsucht nach Ewigkeit ist die Sehnsucht nach bleibendem Glück, dauernder Liebe, ewiger Ruhe. Im Verhältnis von Zeit und Ewigkeit drückt sich die Spannung zwischen Gott und Mensch, Himmel und Erde, Geist und Materie aus. Als Menschen zwischen Himmel und Erde erfahren und berühren wir diese Grundspannung. Wir leben in der Zeit und hoffen auf das ewige Leben, auf die Erfüllung unserer Sehnsüchte in der Ewigkeit. Die Bibel verheißt uns, dass unsere Hoffnungen und Sehnsüchte nicht ins Leere gehen, sondern dass Gott uns nach dem Tod seine ewige Herrlichkeit schenken wird, die noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat (vgl. l Korinther 2,9).
    Ewigkeit meint nicht eine lange Zeitperiode. Sie ist eine eigene Qualität. Wenn der Mensch sich ganz auf den Augenblick einlässt, kann es sein, dass die Ewigkeit in seine Zeit einbricht. Die Zeit steht dann still. Solche Augenblicke geben einen Geschmack von Ewigkeit. Mystiker und Mystikerinnen haben immer wieder von solchen Erfahrungen von Ewigkeit gesprochen, und jede wirkliche Gotteserfahrung ist auch eine Erfahrung von Ewigkeit. Denn wenn ich mit
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