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Buch Der Sehnsucht

Titel: Buch Der Sehnsucht
Autoren: Anselm Gruen
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mit denen wir uns herumschlagen. Sie befreit vom Zwang, alles Schöne und Erfreuliche festhalten zu müssen. Wir können uns daran freuen, aber auch wieder davon trennen. Die Sehnsucht macht uns fähig, mitten in den Konflikten des Lebens - Anselm hatte genügend Streitigkeiten und Verleumdungen durchzustehen - gelassen zu bleiben. Was unsere Erwartungen nicht erfüllt, vermag die Sehnsucht zu vertiefen. Nicht Frustration und Traurigkeit sind dann die Konsequenz, sondern innere Freiheit und Zuversicht. Alles, was querläuft, kann dem, der seiner Sehnsucht traut, seine Liebe und Liebenswürdigkeit nicht rauben. Es wird sie nur stärken und vertiefen. Wer seiner Sehnsucht traut, wird heitere Gelassenheit erfahren.

    GEDULDIGES AUSHARREN

    Das Neue Testament spricht nur selten von der Sehnsucht, aber sehr oft von der Hoffnung. Und die christliche Tradition hat Glaube, Hoffnung und Liebe als die drei göttlichen Tugenden verstanden, im Gegensatz zu den vier Kardinaltugenden, die der griechische Philosoph Aristoteles als Voraussetzung für ein Gelingen des Lebens beschrieben hat: Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit und Mäßigung. Die Hoffnung als geistliche Tugend ist also die Bedingung, dass unser Leben vor Gott „taugt". Tugend kommt ja von „taugen". Die Sehnsucht wird nicht als Tugend gesehen, sondern als eine Kraft, die im Menschen einfach vorhanden ist, ob er will oder nicht. Die Sehnsucht treibt den Menschen. Die Hoffnung - so sagt die theologische Tradition - ist eine von Gott geschenkte Tugend, eine Tüchtigkeit und Kraft, zu der uns Gott befähigt. Die Hoffnung steckt voller Aktivität. Sie gestaltet diese Welt, weil sie glaubt, dass Gott für diese Welt eine Zukunft bereitet hat. Sie vertraut darauf, dass es einen Sinn hat, sich für die Menschen einzusetzen. Sie ist voller Zuversicht, dass Gott für die Menschen eine gute Zukunft bereithält. Aber zugleich weiß die Hoffnung, dass unsere innerweltlichen Hoffnungen ins Leere gehen, wenn sie nicht vom Vertrauen in ein größeres Wirken getragen sind. Die Hoffnung gleicht der Sehnsucht. Und doch ist sie noch etwas anderes. Die Hoffnung ist geprägt von dem Vertrauen in die Zukunft, von dem Vertrauen, dass die Zukunft in Gottes Hand liegt und dass er unsere tiefsten Sehnsüchte erfüllt. Und die Hoffnung beinhaltet das geduldige Ausharren, bis Gott seine Verheißungen an uns Wirklichkeit werden lässt. Die Sehnsucht ist einfach da, ob ich will oder nicht. Für die Hoffnung muss ich mich bewusst entscheiden. Sie ist eine Tugend, die ich pflegen muss. Gegenüber der pessimistischen Grundhaltung, die meint, die Welt steuere dem Verderben entgegen, vertraut die  Hoffnung darauf, dass Gott die Welt und den Menschen zur Vollendung führt, auch wenn diese Vollendung über das Scheitern und Zerbrechen menschlicher Vorstellungen führt. Das Kreuz ist das deutlichste Zeichen dafür. Es steht für die Hoffnung, dass selbst im Untergang neues Leben aufleuchtet. Die Gemeinsame Synode der katholischen Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland hat im Jahre 1972 ihr Hauptdokument „Unsere Hoffnung" genannt. Sie war geprägt von einer optimistischen Sicht dieser Welt und von der Überzeugung, dass die Kirche eine wichtige Aufgabe hat am Aufbau einer menschlicheren Welt. Heute ist von dieser hoffnungsvollen Sicht nur noch wenig zu spüren. Der Hauptautor dieses „Hoffnungs-Dokumentes", Johann Baptist Metz, ließ sich in seiner Theologie von dem jüdischen Philosophen Ernst Bloch anregen, der sein Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung" nannte. Für Bloch ist die Hoffnung nicht einfach ein Gefühl, sondern eine „utopische Funktion". Sie treibt den Menschen dazu, alles, was er hier erlebt, als „Vor-Schein eines Gelungenen" zu sehen. In allem leuchtet das Neue und noch nie Dagewesene auf. Ein Grundimpuls des Blochschen Denkens ist die Sehnsucht nach dem, was er „die noch ungewordene, noch ungelungene Heimat" nennt. Ein Dialog zwischen der Hoffnung des atheistischen Philosophen und der Hoffnung christlichen Glaubens könnte auch heute belebend wirken.

    WORAUF ICH HOFFE

    Auch wenn Hoffnung und Sehnsucht nicht das Gleiche sind, sie sind miteinander verbunden. Denn auch Sehnsucht erhofft etwas. Sie streckt sich voller Intensität nach dem aus, was noch nicht ist. Sie ist eine Kraft, die die bestehende Wirklichkeit übersteigt. Sie kann sich verbinden mit Vertrauen auf etwas Künftiges - und auch sie möchte, dass es wahr und wirklich wird. Meine Sehnsucht und meine
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