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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Autoren: Donna Leon
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Gehalt unbehelligt bis zur Pensionierung ausharren lassen.
    Aber natürlich wäre er dann nicht mehr Dottor Rossi, und kein Fernsehsender würde ihn mehr einladen, damit er einer aufmerksamen Journalistin mit seinen Aussichten auf eine Beförderung nach Rom imponieren konnte. Die Nachricht über seine Entlarvung würde sich keine Woche halten und höchstens in der Lokalpresse für einen kleinen Wirbel sorgen, während die überregionalen Zeitungen sich kaum dafür interessieren dürften. Das Gedächtnis der Öffentlichkeit wurde mit jedem Tag kürzer, seit man es im Fernsehen auf die Länge eines Videoclips trainierte. Und so würde denn auch der Skandal um den falschen Doktor spätestens zum Monatsende vergessen sein. Aber selbst das konnte Rossis Stolz nicht ertragen.
    Endlich siegte die Neugier, und Brunetti rief unten im Dienstzimmer bei Vianello an. »Kommen Sie, wir schnappen ihn uns« war alles, was er sagte. Dann ging er noch rasch bei Bocchese vorbei und ließ sich eine Fotokopie des Schreibens von der Universität Padua geben.
    Er und Vianello beschlossen, zu Fuß zur Schulbehörde zu gehen, und obwohl sie unterwegs über Rossi sprachen, gelang es keinem von beiden, das Verhalten des Mannes wirklich zu verstehen. Was an ihrer moralischen Kurzsichtigkeit liegen mochte oder an mangelnder Phantasie.
    Diesmal machte Brunetti nicht beim portiere halt, sondern stieg unverzüglich die Treppen zum dritten Stock hinauf. In den Büros herrschte an diesem Morgen reger Betrieb; Angestellte mit Papieren oder Aktenordnern unterm Arm gingen ein und aus, ganz die emsigen Ameisen, die in jeder städtischen Behörde herumwuselten. Die Frau mit der gepiercten Schläfe saß wieder an ihrem Schreibtisch, doch ihr Interesse am Leben schien seit seinem letzten Besuch nicht gewachsen zu sein. Ihre Augen glitten blicklos über ihn hinweg. Und die sechs oder sieben Leute, die auf den Stühlen an der Längswand saßen und Brunetti und Vianello bei ihrem Eintreten aufmerksam musterten, nahm sie erst recht nicht zur Kenntnis.
    »Wir möchten den Direktor sprechen«, sagte Brunetti.
    »Ich glaube, er ist in seinem Büro«, erwiderte sie und wedelte lässig mit ihren grünlackierten Fingernägeln. Brunetti bedankte sich und war schon fast an der Tür, die auf den Gang vor Rossis Büro führte, als er noch einmal umkehren und Vianello loseisen mußte, der wie angewurzelt vor der Empfangsdame stand.
    Die Tür zu Rossis Büro stand offen, und sie traten ein, ohne anzuklopfen. Rossi saß hinter seinem Schreibtisch; derselbe Mann, und doch auf eine Weise, die Brunetti nur schwer fassen konnte, ein ganz anderer. Der Blick seiner tiefbraunen Augen schien auf einmal ähnlich unstet und ins Leere gerichtet wie bei der Frau draußen am Empfang.
    Brunetti durchmaß raschen Schrittes den Raum und blieb vor Rossis Schreibtisch stehen. Es bedurfte nur einer leichten Drehung des Kopfes, und er konnte den Text der Urkunde in dem geschnitzten Teakholzrahmen lesen, jener Urkunde der Universität Padua, die Mauro Rossi zum Doktor der Philosophie im Fach Wirtschaftswissenschaften ernannte.
    »Wo haben Sie das her, Signor Rossi?« fragte Brunetti und wies mit dem Daumen seiner Rechten auf das gerahmte Diplom.
    Rossi hüstelte leise, richtete sich in seinem Stuhl auf und sagte: »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Eine Finte, über die Brunetti achselzuckend hinwegging. Er holte Boccheses Kopie aus der Tasche, faltete sie auseinander und legte sie wie beiläufig vor Rossi auf den Tisch. »Wissen Sie vielleicht jetzt, wovon die Rede ist, Signor Rossi?« fragte er angriffslustig.
    »Was ist das?« stammelte Rossi, der nicht hinzusehen wagte.
    »Das, wonach Sie auf dem Dachboden gesucht haben«, antwortete Brunetti.
    Rossi sah Vianello an, dann Brunetti und senkte endlich den Blick wie gebannt auf den Brief. Seine Lippen bewegten sich, als er zu lesen begann, und Brunetti sah, wie seine Augen zwischen dem Siegel am unteren Rand des Schreibens und dem Briefkopf hin und her irrten. Dann setzte er aufs neue an und las alles noch einmal langsam durch.
    Endlich schaute er zu Brunetti auf und sagte: »Aber ich habe zwei Kinder.«
    Beinahe wäre der Commissario versucht gewesen, sich mit ihm auf eine Diskussion einzulassen; allein er wußte, wohin das geführt hätte: Rossi würde das Glück seiner beiden Kinder gegen Signora Battestinis Leben aufwiegen und die Verteidigung seines guten Rufs, ja seiner Ehre gegen die Drohungen der alten Frau, ihn zu vernichten. Wenn
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